Unsere Empfehlungen

Der neue Chef Niklas Luhmann

gebunden

Der Bielefelder Soziologe Niklas Luhmann starb im Jahr 1998. Nun ist bei Suhrkamp ein neues Buch von ihm erschienen. Das könnte eine wahre Entdeckung sein oder die Verwertung von Manuskripten, die besser in der Schublade geblieben wären. Im Falle von „Der neue Chef“ liegt der Schlüssel zum Urteil in der Perspektive. Zwei der drei Texte in diesem schmalen Bändchen sind bereits vor vielen Jahren in Publikationen mit den vielversprechenden Namen „Verwaltungsarchiv“ (1962) oder „Verwaltung. Eine einführende Darstellung“ (1965) veröffentlicht wurden. Der dritte Text mit dem Titel „Unterwachung oder die Kunst, Vorgesetzte zu lenken“ ist ein bisher nicht publiziertes Typoskript aus dem Nachlass Luhmanns, überarbeitet von dem FAZ-Mitherausgeber Jürgen Kaube.

Thema aller 3 Texte sind Kommunikationsstrukturen und -strategien unter dem „Gesetz des Wiedersehens“: die tägliche Arbeit in hierarchisch organisierten Institutionen. Angesichts der rasanten Entwicklung von Coaching, Human Resource Management und Führungstheorie in den letzten Jahren scheint Luhmanns Untersuchungsgegenstand etwas antiquiert und für aktuelle Anwendung unzureichend. Aber das muss es auch nicht. „Der neue Chef“ ist kein Lehrbuch. Was Luhmann in diesen drei kurzen Texten meisterhaft zeigt, ist die Fähigkeit durch präzise Beobachtung vom Alltag auf Theorie zu abstrahieren. Seine schon in den 60er Jahren bemerkenswerte Belesenheit, seine Lakonie und seine (für mich bis heute) beispiellose sprachliche Begabung lassen „Der neue Chef“ zu einem kleinen Kunststück des ausformulierten Denkens werden. Um das schätzen zu können, bedarf es auch nicht zwingend die Beherrschung systemtheoretischer Terminologie. Eine kleine, latente Respektlosigkeit gegenüber starren Denkmustern (oder dem eigenen Chef) genügt.

Die beste Stelle:

„Jede Organisation besteht aus Handlungen. Kein Mensch aber kann handeln, ohne selbst dabei zu sein. Er bringt sich selbst, seine Persönlichkeit, mit an die Arbeitsstelle. Die Organisation fordert ihm jedoch nur spezifische Leistungen ab. Seine Gefühle und seine Selbstdarstellungsinteressen werden dabei kaum beansprucht. Sie lungern während der Arbeit funktionslos herum und stiften Schaden, wenn sie nicht unter Kontrolle gehalten werden.“ (S. 43)

zum Produkt € 10,00*

Das Reich Gottes Emmanuel Carrère

gebunden

An Carrères neuestem Werk arbeite ich mich noch immer ab. Ich ackere regelrecht. Denn es ist so großartig, wie komplex.
Neben Espedal und Knausgård gehört er für mich zur heiligen Dreifaltigkeit der autobiografischen Schriftsteller und er wird in meinen Augen immer besser, aber auch immer vielschichtiger, immer komplizierter.
"Das Reich Gottes" ist weit mehr, als ein Roman über Glaubens- und Unglaubenskrisen. Carrère schreibt die Anfangsgeschichte des Christentums neu.
Dabei ist er so philosophisch, so politisch, so literarisch, so wahr und so pointiert, dass es unmöglich ist, dieses Buch in das Korsett eines Genres zu pressen.

zum Produkt € 24,90*

Der Flaneur Edmund White

gebunden

Nach New York streifen wir nun also mit Edmund White durch die französische Hauptstadt.
Wir wandeln gemeinsam mit ihm auf den Spuren der ganz Großen, wie Balzac, Baudelaire oder Hemingway, folgen aber auch unbekannten Pfaden und lernen zu staunen und zu genießen.
Sein wacher Blick und sein offener Geist sind mir die liebsten Begleiter auf literarischen Reisen.

zum Produkt € 19,99*

Bestimmt wird alles gut Kirsten Boie

gebunden

Eine Herzenssache!

Kauft dieses Buch! Lest es Euren Kindern vor.
Lest es in den Kitas und Schulen Eurer Kinder vor.
Verschenkt es an alle Kinder, die Ihr kennt.
Vielleicht auch an die, die Ihr nicht kennt.
Lasst es in den Hausfluren liegen. Tragt es in die Welt!!!

Verzeiht, dass ich so im Imperativ unterwegs bin, aber dieses Buch ist wirklich so unglaublich wichtig, so richtig und so grandios liebevoll und umsichtig gemacht, dass es den Keim des Verständnisses für anderer Menschen Leid und Hoffnung in uns alle legen kann.

Die wahre Flucht-Geschichte einer syrischen Familie, nacherzählt von Kirsten Boie, illustriert von Jan Birck auf Deutsch und Arabisch, erschienen im wunderbaren Klett Kinderbuch Verlag.
Ein Buch, das die Welt besser machen wird!
Danke an Euch, die Ihr es gemacht habt!
Danke an Euch, die Ihr es kauft!

zum Produkt € 9,95*

Trauer ist das Ding mit Federn Max Porter

gebunden

Die Ausgangssituation: Eine junge Familie, Mutter, Vater und die Zwillingssöhne, Reihenhäuschen alles friedlich. Dann die Katastrophe: Die Mutter stürzt die Treppe hinunter, Hirnblutung, tot. Das ändert ALLES. Das Leben der drei Hinterbliebenen wird zur surrealen Bewährungsprobe, denn unbewusst war es stets die Mutter, die alles zusammenhält, nicht nur im Haushalt, sondern auch im seelischen Gleichgewicht der ganzen Familie.
In dieses emotionale Chaos hinein ertönt plötzlich ein Klingeln an der Tür, aber statt der erwarteten Freunde steht da eine riesige Krähe und verschafft sich Zutritt zum Haus. Sie läuft durch die Räume, verliert hier und da ihre schwarzen Federn („Auf deinem Kopfkissen liegt auch eine Feder.“) und spricht, krächzend zwar, aber verständlich:

„In anderen Versionen bin ich Arzt oder Geist. Ideale Vehikel: Ärzte, Geister und Krähen. Wir können Dinge, die andere Figuren nicht können, etwa Traurigkeit essen, Geheimnisse zuhüllen und dramatisch mit Sprache und Gott ringen. Ich war Freund, Vorwand, Deus ex Machina, Scherz, Symptom, Erfindung, Schrecken, Krücke, Spielzeug, Phantom, Gag, Analytiker, Babysitter.
Ich war schließlich ein zentraler Vogel… bis an die äußersten Grenzen. Ich bin Schablone. Ich weiß es. Ein Mythos, der manipuliert, der manipuliert wird.“

Mit dem Besuch der Krähe öffnet sich ein beeindruckender Kosmos. Die Referenz auf Poes Raben Nevermore ist offensichtlich. Der schwarze Vogel als Allegorie der Trauer, der erst geht, wenn der Schmerz überwunden ist. Der die Trauer frisst. Der Vogel weiß, dass er nur eine Metapher ist, aber das spielt keine Rolle, denn durch die Vogelfiktion wird ein unbegreifliches Gefühl greifbar, gegenständlicher und damit auch irgendwie händelbar. Und darum geht es in diesem Roman: wie gehe ich mit einer Situation um, die vollkommen überfordert, die im Skript meiner Vorstellungskraft bisher nicht vorhanden war, die weit über die Grenzen des Möglichkeitsinns hinausreicht? In dieser taumelnden Entrücktheit treffen sich die Wahrscheinlichkeiten vom Besuch einer sprechenden Krähe und das Sterben einer jungen Frau, Mutter, Geliebten, mit der man noch ein ganzes Leben geplant hatte.
Porters Roman ist nicht lang, aber auf den wenigen Seiten entfaltet er die ganze Kraft der Literatur. Metaphern können uns die Welt nicht nur erklären, sondern manchmal überhaupt erst erträglich machen. Aus diffusen Gefühlen werden so konkrete Bilder zu denen schließlich eine Distanz aufgebaut werden kann.
Sprachlich ist das brilliant umgesetzt, denn Porter (beziehungsweise seine genialen Übersetzer Uda Strätling und Matthias Göritz) beherrscht das lautmalerische Krächzen der Krähe ebenso wie den naiven Blick von sechsjährigen Jungen auf eine viel zu große Welt. Da werden souverän Perspektiven, Register, Zeitebenen gewechselt, um zu einem erstaunlich kohärenten Bild zu gelangen.

Nach der Lektüre bleibe ich zurück, zutiefst erschüttert von der Kraft dieser Prosa.

zum Produkt € 16,90*

Play it again Alan Rusbridger

gebunden

Ein Mann nimmt sich vor, ein Klavierstück zu lernen und schreibt darüber ein Buch. Nichts könnte auf den ersten Blick langweiliger sein. Wenn dieser Mann allerdings Chefredakteur des britischen Guardian ist, Träger des alternativen Nobelpreises und einer der einflussreichsten Journalisten der westlichen Hemisphäre, wird es schon spannender. Wenn es sich bei dem Klavierstück auch noch um die Ballade Nr. 1 in g Moll op. 23 von Chopin handelt, eines der schwersten Stücke der Klavierliteratur, ist man geneigt in die ersten Seiten hineinzulesen. Und wenn man dann bemerkt, dass sich dieser Mann sehr elegant, klug und unterhaltsam ausdrücken kann, ist man schließlich drin in einem aus allen Perspektiven außergewöhnlichen (und größenwahnsinnigen?) Projekt. Man wird von Rusbridgers Art über Fingersätze und Tonleitern zu schreiben, ebenso gefesselt wie von seinen beruflichen Aufgaben: Da sind die Veröffentlichungen der Wikileaks-Dokumente, Treffen mit Julian Assange, Geiselnahmeverhandlungen in Lybien, der Umbau von Print auf Digital einer Traditionszeitung, der Abhörskandal von News of the World. Nur wenige Schlaglichter, die doch umso deutlicher die Frage stellen, wie man das alles unter einen Hut bekommen kann. Rusbridger will jeden Tag 20 Minuten üben. Ob er das schafft, will ich nicht verraten. Auch nicht, welche Tipps ihm Condoleezza Rice oder Daniel Barenboim mit auf den Weg geben. Nur soviel darf ich nach der Lektüre, die mich sehr bereichert hat, vorwegnehmen: Es geht in „Play it again“ nicht um ein Kunstwerk, sondern um drei. Da ist sicher diese wunderschöne Klavierballade, die das ganze Spektrum menschlicher Emotionen zu berühren scheint. Da ist aber auch das Kunstwerk, dass es ein Mann von dieser Stellung, in einer Branche, die von Aktualität, Schnelligkeit und unvorhergesehenen Ereignissen lebt, es schafft, kontinuierlich Zeit für die Muse aufzubringen. Und dann schließlich das Kunstwerk, über all das in einer Art und Weise schreiben zu können, die auch musikalische Laien völlig in den Bann zieht. „Play it again“ ist eine lesenswerte Aufforderung Kunst in den Alltag zu integrieren. Die Lektüre dieses Buches wäre dafür der erste Schritt.

zum Produkt € 25,00*

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