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Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg waren in zahlreichen westeuropäischen Ländern NS-Kriegsverbrecher inhaftiert. Im Zuge der Westbindung der Bundesrepublik wurden die meisten von ihnen entlassen. Lediglich in Italien und den Niederlanden verblieben insgesamt fünf Deutsche im Gefängnis: der SS-Mann Herbert Kappler, als Kommandeur der Sicherheitspolizei verantwortlich für das Massaker in den Ardeatinischen Höhlen, sowie die »Vier von Breda«, die maßgeblich an der Ermordung der niederländischen Juden beteiligt gewesen waren. Hochrangige deutsche Politiker, unter ihnen die Bundeskanzler Brandt und Schmidt, setzten sich für ihre Freilassung ein. Felix Bohr zeichnet das westdeutsche Engagement für die im Ausland inhaftierten NS-Täter nach. Er zeigt, wie sich aus Netzwerken von Kirchenverbänden, Veteranenvereinigungen und Diplomaten eine einflussreiche Interessenvertretung formierte, die rechtliche und materielle Hilfe leistete. Während Opfer des NS-Regimes um gesellschaftliche Anerkennung und Entschädigung kämpften, organisierte die Lobby Unterstützung für die Kriegsverbrecher auf höchster politischer Ebene. Auf der Grundlage bislang mitunter nicht zugänglicher Quellen wirft Bohr einen umfassenden Blick auf ein bisher kaum bekanntes Kapitel bundesdeutscher Vergangenheitspolitik.
Felix Bohr, geboren 1982, ist Historiker und Journalist. Er studierte in Berlin und Rom Geschichte sowie katholische Theologie. Seit 2012 ist er für das Nachrichtenmagazin Der Spiegel tätig, aktuell in der Leitung des Geschichtsressorts.
Einleitung
Herbert Kappler und die 'Vier von Breda'
Kriegsverbrechen und ihre Ahndung in der frühen Nachkriegszeit
Die Taten des 'Henkers von Rom'
Kapplers Prozess und das Taktieren der italienischen Regierung in der Kriegsverbrecherfrage
Vollstrecker der Vernichtungspolitik
Die Taten der 'Vier von Breda'
Der Umgang mit Kollaboration und Besatzungskriminalität in den Niederlanden
Akteurskonstellationen und politische Weichenstellungen in der jungen Bundesrepublik (1949-1961)
Die Kirchen - christliche Hilfe für NS-Verbrecher in der Nachkriegszeit
Die Politik - Rechtsschutz und 'Liebesgabenpakete' Anfänge des Engagements der Bundesregierung
Die Lobby - Arbeit und Struktur der Netzwerke 'alter Kameraden'
Der Einsatz für Kappler & Co. als bundesdeutsche Staatsräson (1961-1969)
'Der Eichmann-Prozess weckt alle bösen Erinnerungen'. Taktikwechsel in den Bemühungen um eine Freilassung Herbert Kapplers
Größte Zurückhaltung Das diskrete Engagement in den Niederlanden
Die Kriegsverbrecherfrage in der sozialliberalen Ära (1969-1982)
Hypotheken der Älteren. Die Bemühungen der Regierungen Brandt und Schmidt um eine Amnestie der inhaftierten Täter
Alternde Kameraden in der Offensive
Flucht aus Rom. Das Ende des Falles Kappler
Im Haus des Henkers. Erinnerungskulturelle Entwicklungen bis 1982
Der Weg zur Begnadigung der 'Zwei von Breda' (1982-1989)
Persönliches Hobby? Alois Mertes und die Bundestagsresolution 1982
'Martyrium epochalen Ausmaßes'. Der Kampf der Kiesslers und der Rückzug des VdH
'Aus eigenem Gewissen und Rechtsempfinden' Finale Bemühungen der Bundesregierung und das Engagement Richard von Weizsäckers
Neue Nachdenklichkeit Amnestiediskurse in den Niederlanden
'Heim ins Reich'. Die Entlassung Fischers und aus der Füntens
Schlussbetrachtung