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Ob das M ä h r c h e n für Kinder gehöre, oder ihnen ganz entzogen werden müsse? Darüber sind die Urtheile noch verschieden. Viele, - und dies sind die Einsichtsvollsten und Erfahrensten, - erklären sie für ein vortreffliches Bildungsmittel, und wollen sie auf keine Weise aus der Erziehung verbannt wissen. Einige dagegen verwerfen sie als verderblich und schädlich: denn sie meinen, daß durch diese »wunderlichen Zaubergeschichten« der Geschmack nothwendig verderbt, die Phantasie verwöhnt, der Blick in das Leben getrübt, und der Kopf des Kindes mit lauter falschen, abentheuerlichen und verkehrten Ideen angefüllt werden müsse, gerade wie der R o m a n nachtheilig für die Erwachsenen wirke. Diese Ansicht ist aber ganz falsch, weil sie gegen alle Erfahrung ist, und gilt höchstens nur von den schlechten, phantastischen Mährchen, die durch übertriebene, wunderbar wechselnde Erscheinungen und bizarre Sprünge belustigen, oder durch allerlei verführerische Liebesabentheuer bezauberter Prinzen und Prinzessinnen das unschuldige Gemüth beflecken, und mit seltsamen, wollüstigen Bildern verunreinigen. Dergleichen Mährchen gehören aber nicht in den Kreis der Kinderwelt, und wer sie da hineinzieht, versündigt sich an dem aufblühenden Geschlecht, und hat sich selbst die Schuld beizumessen, wenn er, anstatt zu nützen Schaden stiftet und verbildet.
Johann Heinrich Lehnert (* 1. August 1782 in Brandenburg an der Havel; - 15. November 1848 in Falkenrehde, Kreis Osthavelland) war ein deutscher Geistlicher und Schriftsteller.
Lehnert studierte Theologie an der Universität Halle und wurde 1817 Pfarrer in Falkenrehde bei Potsdam. 1830 wurde er Inspektor des Collegium Albertinum in Berlin und später in Königsberg.
Sein literarisches Interesse galt Volksmärchen und Sagen, die er ab 1815 in Sammlungen herausbrachte. Lesebücher mit Fabeln, Gedichten, Liedern und Rätseln sowie Schriften für den Religionsunterricht waren ein weiterer Schwerpunkt seines Schaffens. In seinen Mährchenkranz für Kinder nahm er auch Märchen u. a. der Gebrüder Grimm und Charles Perrault auf, deren "grausame" Szenen abgemildert und einige Episoden von ihm ausgeschmückt wurden.