Obwohl immer wieder beschrieben und prognostiziert wird, dass sich politische Bewegungen weitgehend in die digitalen Medien verlagern, sind die Erwartungen an politisches Theater und Aktionskunst eher noch gestiegen: Theater soll die gesellschaftliche Wirklichkeit nicht nur widerspiegeln oder kritisieren, sondern direkt in die Wirklichkeit intervenieren. Die Grenze zwischen Kunst und Aktivismus wird durchlässiger, woraus sich für das Theater gesteigerte Wirkungsansprüche ergeben. Das Buch fragt nach den Formen und Traditionen einer solchen intervenierenden Theaterpraxis – und danach, was man sich von ihr erhoffen darf. Es geht um ein Theater, das an der Grenze zur direkten Aktion operiert, ohne die Brechungen, Umwege und Indirektheiten theatraler Aufführungen ganz hinter sich lassen zu können.
Matthias Warstat stellt Buch und Thesen gemeinsam mit Joy Kristin Kalu (UdK Berlin) sowie Julius Heinicke (Universität Hildesheim) vor. Zeit und Ort: 19.30 Uhr, Einar & Bert - Theaterbuchhandung, Winsstr. 72, 10405 Berlin. Eintritt frei.
In der digitalen Welt des 21. Jahrhunderts verändert sich das Theater radikal: Neue Formsprachen gehen nicht vom klassischen Text oder seiner Dekonstruktion aus, sondern nutzen vielfältige Medien, innovative Technologien und interdisziplinäre Ansätze, um ganze Welten zu entwerfen. Die wegweisenden Inszenierungen von Susanne Kennedy, Lucia Bihler und Florentina Holzinger stehen exemplarisch für diesen formalen Wandel, der seit den 2010er-Jahren in den Darstellenden Künsten sichtbar wird.
Dieses Buch untersucht anhand fundierter theoretischer Reflexion und ausführlicher Interviews die formalen Strategien der drei Künstlerinnen und ihrer Teams. Dabei zeigt es auf, wie sie die Ästhetik des postdramatischen Theaters ins 21. Jahrhundert überführen und eine zeitgemäße Bühnensprache entwickeln. Die Autorin analysiert, wie diese innovativen Produktionen Kommunikationsweisen, Wahrnehmungsmuster und emotionale Dynamiken des Web 2.0 in komplexe "Ultrawelten" übersetzen – Theaterwelten, die am Puls der Zeit entstehen und die Gegenwart herausfordern.
Hannah Schünemann stellt ihr Buch und die Arbeiten der drei Künstler:innen zusammen mit der Lektorin Sophie Schuster vor. Moderation: Theresa Schütz. Eintritt ist frei.
Der Wahlberliner Gottfried Pilz (*1944 in Salzburg, +2024 in Berlin) zählte zu den renommiertesten Bühnen- und Kostümbildnern des Musiktheaters. Seine feinsinnigen, beeindruckenden Arbeiten entwickelte er durch das intensive Studium von Libretto und Partitur – im Lauf der Jahre mit einer zunehmend abstrakten und minimalistischen Bildsprache. Pilz arbeitete unter anderem mit den Regisseuren John Dew, Götz Friedrich, Günter Krämer, Stefan Herheim und George Tabori zusammen. In der reich bebilderten Publikation sind großformatige Fotografien, Zeichnungen, Figurinen und Bühnenbildmodelle zu sehen. Es ist ein konzentrierter Ausschnitt mit 15 Projekten aus 50 Schaffensjahren einschließlich Regiearbeiten. Besonderer Bestandteil der Ausgabe sind die Camera-obscura-Aufnahmen der Fotografin Karen Stuke. Sie fotografierte viele Jahre die Opernaufführungen von Gottfried Pilz. Das Buch enthält eine Kurzbiografie, ein umfassendes Werkverzeichnis sowie ein sorgfältig recherchiertes Register.
Mit Textbeiträgen von Jochen Diederichs, Gottfried Pilz, Bärbel Reißmann, Kerstin Schröder und Karen Stuke.
Kerstin Schröder (Herausgeberin, Buchgestalterin), Karen Stuke (Fotografin), Bärbel Reißmann (Stadtmuseum Berlin) sowie Karen Fries (Kostüm- und Bühnenbildnerin, ehem. Assistentin von Gottfried Pilz) stellen das Buch vor und teilen ihre Erinnerungen an Gottfried Pilz. Eintritt frei.
Theater der Leere macht die Katastrophen des technowissenschaftlichen Zeitalters zum Ausgangspunkt für die Annäherung an das Theater und zeigt, dass die Leere im zeitgenössischen Theater mehr ist als ein bloßes Nichts. Im Gegenteil, sie ist das Potenzial und die Möglichkeit einer radikalen Transformation des Theaters selbst.
In der Hinwendung zur Leere verschränkt Kovacs Debatten über Transformation und Zukunft mit der Reflexion über die komplexe Beziehung zwischen Theater und den Naturwissenschaften und macht deutlich, dass die Theaterformen, die bislang unter dem Begriff des "Postdramatischen Theaters" diskutiert wurden, eine Zukunft haben.
Kovacs bringt in ihrer Studie Heiner Müller, Elfriede Jelinek, Christoph Schlingensief und René Pollesch zusammen und zeigt, was es bedeutet, wenn der Nullpunkt zum zentralen Energiefeld des Theaters wird. Die Studie entfaltet nicht nur überraschend neue Perspektiven, sondern legt auch bislang übersehene Linien frei, die die Arbeiten dieser vier Theatermacher:innen durchziehen und verbinden. Sie argumentiert, dass wir im ‚Theater der Leere‘ eine theatrale Grammatik entdecken können, die uns in der von Nukleartechnologie und Klimawandel bedrohten Gegenwart viel zu sagen hat.
Die Autorin Teresa Kovacs und Thomas Irmer (Chefredaktion Theater der Zeit) stellen das Buch vor. Eintritt frei.
Wir werden Jenny Erpenbeck am 24.10. bei Einar & Bert zu Gast zu haben. Sie liest aus ihrem Roman KAIROS, der 2024 mit dem International Booker Prize ausgezeichnet wurde.
Erpenbeck debütierte 1999 mit der Novelle »Geschichte vom alten Kind«. Es folgten zahlreiche Veröffentlichungen, darunter Romane, Erzählungen und Theaterstücke. Außerdem war sie Kolumnistin bei Theater der Zeit.
Eintritt 14,99 EUR. Wir bitten um Kauf einer Platzkarte via Eventbride: https://www.eventbrite.de/e/kairos-lesung-mit-jenny-erpenbeck-tickets-1029791834097
In KAIROS begegnen sich die neunzehnjährige Katharina und Hans, ein verheirateter Mann Mitte fünfzig, Ende der achtziger Jahre in Ostberlin, zufällig, und kommen für die nächsten Jahre nicht voneinander los. Vor dem Hintergrund der untergehenden DDR und des Umbruchs nach 1989 erzählt Jenny Erpenbeck in ihrer unverwechselbaren Sprache von den Abgründen des Glücks – vom Weg zweier Liebender im Grenzgebiet zwischen Wahrheit und Lüge, von Obsession und Gewalt, Hass und Hoffnung. Alles in ihrem Leben verwandelt sich noch in derselben Sekunde, in der es geschieht, in etwas Verlorenes. Die Grenze ist immer nur ein Augenblick.
»Erpenbecks beklemmende Entfaltung einer Amour fou, die mit dem Untergang des Staates synchronisiert wird, entwickelt einen beispiellosen Sog. Es ist ein großer, schöner und grausamer Liebesroman, der zu Recht ausgezeichnet worden ist.« Adam Soboczynski, Die Zeit
Wir freuen uns auf Euren Besuch!
Das Theaterlabor Bielefeld, gegründet 1983 von Siegmar Schröder gemeinsam mit Studierenden, ist ein prägnantes Beispiel für die Entwicklungen, die seit den 1980ern zu einer Modernisierung des deutschen Theaters und in Folge zur Konstituierung des Freien Theaters als "Zweiter Säule" der Theaterlandschaft führen sollten.
Ein Ensemble, das kollektiv und egalitär die Gegenstände und Themen seiner künstlerischen Arbeit selbst bestimmte, sich permanent bei den großen, beispielgebenden Künstler*innen des "anderen Theaters" in Europa aus- und weiterbildete, das zu internationalen Festivals eingeladen wurde und schon früh auch selbst Festivals und Koproduktionsbeziehungen in Europa und bis nach Nordamerika entwickelte und schließlich eine Institution bildete, die Bestand hat und inzwischen von einer nachgewachsenen Generation übernommen wurde.
Die Entwicklung dieser Theaterkunst aus der Kraft der Selbstermächtigung wird von Siegmar Schröder und Henning Fülle in Berichten und Interviews, Gesprächen und Erinnerungen nachgezeichnet und in den Kontext der künstlerischen und institutionellen Aufbrüche der westdeutschen Theaterlandschaft seit den 1970er Jahren eingebettet.
Mit Interviews und Texten von Eugenio Barba, Yoshi Oida, Leo Bassi, Margarete Pikes, Horacio Czertok, Nullo Facchini, Robert Jakobson, u.v.m.
Die Herausgeber Siegmar Schröder und Henning Fülle stellen das Buch vor. Eintritt frei.
Henryk Gericke im Gespräch mit Mark Reeder über Punk und Postpunk in der DDR.
"Henryk Gericke ist Autor, Herausgeber und Galerist. 1981–82 war er Sänger der Ostberliner Punkband The Leistungsleichen, 1985–1989 Herausgeber unabhängiger Editionen und Samisdat-Hefte (Caligo, Autodafé, Art. 27, Braegen) sowie Autor in anderen unabhängigen Editionen. 2010 gründete er die Staatsgalerie Prenzlauer Berg. Seit 2019 ist er Herausgeber der Schallplatten-Edition tapetopia – GDR Undergroundtapes 1980–1990. 2020 erschien die von Gericke herausgegebene Dreifachvinylbox (inkl. Buch) "too much future – Punkrock GDR"." (Quelle: Verbrecher-Verlag)
"Als Musiker, Labelbetreiber, Konzertveranstalter und Produzent prägt Mark Reeder die Berliner Musikszene. 1978 kommt er aus Manchester in die ehemals geteilte Stadt und bewegt sich als Grenzgänger regelmäßig zwischen Ost und West. In Ostberlin sucht er nach Punk und Underground und landet dadurch schnell im Visier der Stasi. Aber Verbote und mögliche Konsequenzen schrecken ihn nicht ab. Er schmuggelt Kassetten in die DDR und organisiert zwei Geheimkonzerte der Toten Hosen in Ostberlin. [...] Mit Nick Cave wohnt er kurz zusammen in einer winzigen Altbauwohnung in Kreuzberg. Er holt seinen Kumpel Ian Curtis für ein Konzert mit den noch unbekannten Joy Division nach Berlin, ist Mann für alles bei der Westberliner Frauenband Malaria! und geht auf Tour mit den Einstürzenden Neubauten. Nach der Wende bringt er Paul van Dyks erste Platten heraus – auf dem neu gegründeten Label MFS, das Reeder zu einem Pionier der Trance-Musik macht. Ein neuer elektronischer Sound entsteht, zu dem Millionen Menschen später in den Clubs und auf den Straßen der Stadt tanzen." (Quelle: rbb-online.de, Grenzgänger-Podcast Ankündigung aus 08/23)
https://tapetopia.de/
Im RECHERCHEN-Band 169 von Thomas Wieck wird untersucht, wie in den siebziger Jahren in Ost-Berlin das festgefügte und außengelenkte System "DDR-Theater" von innen heraus, durch die Arbeit Heiner Müllers und einer kleinen Gruppe von Schauspieler:innen, Regisseuren und Bühnenbildnern in seinen ideologischen und ästhetischen Grundfesten erschüttert wurde. Thomas Wieck und Renate Ziemer haben Theaterarchive ausgewertet und umfangreiche Gespräche geführt. Hermann Beyer, Michael Gwisdek, Jürgen Holtz, Dieter Montag und Johanna Schall erinnern in den hier protokollierten Gesprächen an die theatralische Unbedingtheit und Kraft kollektiver schauspielerischer Selbstbestimmung. Diese zwischen 1940 und 1950 geborene Schauspielergeneration zog eine theatralisch überzeugende Bilanz des "gesellschaftspolitischen Experiments" in einem Teil Deutschlands und stellte ihm eine niederschmetternde Diagnose – "politisches Theater" im besten Sinne, vorbildlich und wirksam über die Zeiten hin.
Das Buch erscheint im Januar 2024 bei Theater der Zeit
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Buchpremiere und musikalische Lesung. Eintritt: Der Besitz des Buches LOTTEWELT. Es kann für 16 € am Einlass erworben werden.
Maximilian Hecker präsentiert seinen Debütroman LOTTEWELT und stellt daneben neue Songs aus seinem neuen Album NEVERHEART vor. An seiner Seite: Mark Waschke.
LOTTEWELT erzählt die Geschichte eines Mannes, dessen (Liebes-)Leben nachhaltig durch die Geburt und den frühen Tod seiner Schwester Liselotte geprägt ist. Die traumatische Vergangenheit holt ihn mit großen Schritten ein, als er sich während eines Korea-Aufenthalts in die Schauspielerin Charlotte Lee verliebt – eine Seelenverwandte, wie es scheint, wenn nicht sogar »Körperverwandte«, an die der Protagonist augenblicklich sein gebrochenes Herz verliert, obwohl oder gerade WEIL die junge Frau in ihm das merkwürdige Gefühl auslöst, in ihr seine »Schicksalsschwester« Liselotte wiedergefunden zu haben. Der Titel von Maximilian Heckers Debütroman bezieht sich allerdings nicht nur auf die beiden Lottes im Leben des Protagonisten, denn »Lottewelt« (als Anspielung auf den Seouler Vergnügungspark Lotte World) kann darüber hinaus auch als Synonym für die koreanische Unterhaltungsindustrie (Stichwort »Hallyu«) verstanden werden, deren schillernde Akteure die gewundenen Wege des Protagonisten fortgesetzt kreuzen und ihn zur Reflexion über die koreanische Seele und die koreanische (Populär-)Kultur inspirieren.
In Burundi, einem der ärmsten Länder dieser Erde, bereitet sich der Präsident auf seine dritte Amtszeit vor. Seine Kabinettskollegen streiten über die Nachfolge und der Verteidigungsminister wird in die Luft gesprengt. Schlägertruppen beherrschen das Straßenbild, es droht ein neuer Genozid. Die staatlichen Terroristen machen vor Geistlichen nicht halt, drei Ordensschwestern werden ermordet. Die reiche Welt hat kein Interesse. Der Vatikan schweigt. Die letzten Journalisten verlassen das Land. Vier selbsternannte Detektive stellen sich dem Terror und finden mitten im Kongo eine gesellschaftliche Utopie und eine Antwort auf die Taten. KONGOTOPIA - Zartes Land. (Klappentext)