Unsere Empfehlungen

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Hartmut Löschcke

Hartmut Löschcke

Realitätenhandlung Lisbeth Exner

gebunden

Yvonne Zitzmann "Die Füchse haben Gruben, die Vögel haben Nester" und Lisbeth Exner "Realitätenhandlung"

…und wo bettet der Mensch sein Haupt?

Oder ist Wohnen nicht ein Grundrecht?

Seit Jahren wehrt sich die Pianistin Anna gegen ihre Entmietung. Alle Versuche, eine Wohnung zu finden, sind gescheitert. "Sie sind alleinerziehend? Verstehe ich es richtig, eines Ihrer Kinder ist behindert? Sind Sie Musikerin? Üben Sie zu Hause? Ist das Kind laut? Und die Miete?"

Als ihr ganzes Haus abbrennt, steht sie vor dem Nichts. Mit dem, was sie am Körper haben, fahren sie zu den Eltern, um dort erst einmal eine Bleibe zu finden. "Jetzt sind wir Flüchtlinge" sagt die elfjährige Tochter Juli. "Nein, bei uns ist kein Krieg". "Aber du hast doch immer gesagt, der Vermieter führt Krieg gegen uns. Also sind wir Flüchtlinge. Wie Uroma Frieda und Uropa Ernst, die mussten auch ihr Haus verlassen." Und damit beginnt die Erinnerung an Häuser und Wohnungen, die in der Familie verloren gegangen sind. Das Haus der Großeltern im Danzig der Vorkriegs- und Kriegsjahre, das Paradies in Neuenhagen bis 1990 ein Ehepaar aus Wiesbaden vor der Tür steht, das Haus im Thüringer Wald im Schatten von Grenzanlagen und Wachttürmen, das kein Fenster nach Westen haben durfte.

In ihrem Buch "Die Füchse haben Gruben, die Vögel haben Nester" schreibt Yvonne Zitzmann voller Empathie von Vertreibung, Neuaufbau, Verlust und Ankunft, von glücklichen Kindertagen, die verloren gingen und vor allem von der Sehnsucht: man will doch einfach nur einen Ort, an den man gehört und wo man zur Ruhe kommen kann. Sie schreibt humorvoll, politisch, aufwühlend und herzzerreißend. Selten habe ich so ein "rundes" Buch gelesen.


Ganz anders im Stil Lisbeth Exner. Mit dem notwendigen Zynismus führt sie in "Realitätenhandlung" ein Kammerspiel über eine "Delogierung", wie die Wiener vornehm sagen, auf. 49 Minuten hat der Vollstrecker für den Akt vorgesehen, die etwas verwirrte Mieterin auf die Straße zu setzen. Schnelle LeserInnen sind bei dem schmalen Bändchen in Echtzeit dabei. Aber vielleicht sollte man sich doch etwas mehr Zeit für die kleinen Haken und Ecken und allerlei lustige Dinge lassen, die verblüffen, schockieren und die Gedanken stolpern machen. Theater im Wiener Altbau vom Feinsten.

Yvonne Zitzmann, Die Füchse haben Gruben, die Vögel haben Nester
Roman
Preis: 24,00 €
ISBN: 978-3-99014-230-1

Lisbeth Exner Realitätenhandlung
Roman
Preis: 18,00 €

zum Produkt € 18,00*

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Hartmut Löschcke

Hartmut Löschcke

Fünf Winter James Kestrel

gebunden

Kirschblüten im Krieg

Im Dezember 1941 wird Joe McGrady von der Honolulu PD mit einer Mordermittlung beauftragt. Der Neffe des Oberbefehlshabers der amerikanischen Pazifikflotte und seine japanische Freundin sind grausam umgebracht worden. Eine Spur führt ihn nach Hongkong, wohin sich ein unter verschiedenen Namen, von Mitreisenden aber gleich beschriebener, Reisender sich abgesetzt hat. Hier muss er erfahren, dass die besten Informationen hat, wer am meisten zahlt. So wird er von der chinesischen Polizei unter Spionageverdacht verhaftet.

Wenn wir an den 2. Weltkrieg, Japan, USA denken, fällt uns meist nur Pearl Harbour ein. Weniger bekannt ist, dass Japan gleichzeitig China und andere Länder Südostasiens überfallen hat und selbst die, die sich „bei drei“ ergeben haben, massakriert wurden. Als Ausländer und potentielle Geisel wird McGrady in ein japanisches Kriegsgefangenenlager gebracht. Aus diesem befreit ihn der stellvertretende Außenminister Takahashi Kansei, denn es war seine Tochter, die auf Hawaii ermordet worden war. Er will alles über seine Ermittlungen wissen. So lebt McGrady bis zum Ende des Krieges versteckt im Hause Takahashis, nicht ohne zu Sachi, der Schwester der Ermordeten, eine intensive Beziehung aufzubauen. Diese aber verlässt das Haus angesichts der bedrohlicher werdenden amerikanischen Bombardements, um den Krieg im Hause der Großeltern in den abgeschiedenen Bergen Japans zu überleben.

Nachdem McGrady versprochen hat, den Mörder von Takahashis Tochter ausfindig zu machen, schlägt er sich zu den amerikanischen Linien durch und gelangt nach Honolulu. Dort wird er distanziert empfangen, schließlich konnte er weder aus dem Gefängnis noch aus dem Kriegsgefangenenlager, geschweige denn seinem geheimen Versteck ein Lebenszeichen nach Hause senden. Seine damalige Geliebte hat seinen Partner bei der Polizei geheiratet, neues Personal kennt ihn nur dem Namen nach. Eigentlich ist es allen lieber, er wäre „tot“ geblieben. So bleibt ihm nur, den alten Fall als Privatdetektiv wieder aufzurollen.

Ein Kriminalfall verbindet sich mit historischen Kriegsgeschehen und einer Liebesgeschichte. Das ist spannend, melancholisch und anrührend geschrieben. Das Motiv der Kirschblüten als Hoffnungsschimmer, vor allen im „japanischen“ Teil des Buches, begleitet die Erkenntnis, dass nationale Schranken zwischen den Menschen überwunden werden, wenn es um die essentiellen Dinge des Lebens geht. Mag manchen der Schluss etwas zu melodramatisch geraten sein, er ist einfach was fürs Herz. Und das steht auch einem Thriller als Ende gut zu Gesicht.

zum Produkt € 20,00*

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Hartmut Löschcke

Hartmut Löschcke

Verleugnen Tsitsi Dangarembga

kartoniert

Endlich ist nun auch der zweite Band von Tsitsi Dangarembga großer Trilogie erschienen, nachdem sie für den dritten, der als erster auf deutsch erschien, den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekommen hatte.

Letzte Woche wurde Dangarembga in Harare wegen der öffentlichen Zurschaustellung einer abweichenden Meinung zu 6 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Ihr Verbrechen war nicht, eine andere Meinung als der Staatschef zu haben, sondern dass sie sie öffentlich zeigte. Die Spitzfindigkeiten unterdrückender Systeme nehmen immer absurdere Formen an.

zum Produkt € 24,00*

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Hartmut Löschcke

Hartmut Löschcke

Die Autobiographie des Giuliano di Sansevero Andrea Giovene

gebunden

Bei Neapel-Saga denkt man unweigerlich an Elena Ferrante. Der Galiani Verlag hat jetzt einen literarischen Schatz gehoben.

Zwischen 1966 und 1970 beschreibt Giovene die Lebensgeschichte eines jungen Adligen, der sich vor dem Ersten Weltkrieg langsam von der verfallenden Herrlichkeit seines Standes löst und sich als Schriftsteller durchs Leben schlägt. Stark autobiografisch geprägt wird hier die Geschichte Italiens des 20. Jahrhunderts dargelegt. Die ersten beiden Bände sind jetzt erstmals auf Deutsch erschienen, drei weitere folgen 2023. Ein Muss für alle Italien-LiebhaberInnen.

zum Produkt € 26,00*

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Hartmut Löschcke

Hartmut Löschcke

Die drei Hochzeiten von Manolita Almudena Grandes

gebunden

Mit „Die drei Hochzeiten von Manolita“ ist nun auch der letzte Band des fünf Romane umfassenden Großwerkes der Spanierin Almuneda Grandes „Episoden aus einem endlosen Krieg“ im Hanser Verlag erschienen. Mit dem endlosen Krieg ist die bis in die Familien gehende Spaltung der spanischen Gesellschaft gemeint, die beginnend mit dem Sieg der Republik, dem von faschistischen Francisten angezettelten Bürgerkrieg über die Herrschaft Francos bis in die Gegenwart reicht.

Die Episode dieses Romans rankt sich um eine Gruppe sozialistischer Jugendlicher in Madrid, angeführt von dem charismatischen Antonio, der sich in einer amour fou zu der Flamencotänzerin Eleida verzehrt. Seine jüngere Schwester Manolita – Spitzname „Zählt nicht auf mich“ – will mit den politschen Aktivitäten der Gruppe eigentlich nichts zu tun haben. Als aber nach Francos Machtübernahme neben ihren Eltern auch immer mehr der FreundInnen in den Gefängnissen verschwinden, kann sie sich einem „Parteiauftrag“ nicht entziehen.

Da Korruption vieles möglich macht, organisiert ein Gefängnispriester Scheinhochzeiten und fälscht Familienbücher, denn Frauen und Verlobte dürfen ihre Männer im Gefängnis besuchen, in einem abgeschieden Raum auch ohne Gitter. Um an wichtige Informationen für die Untergrundarbeit zu gelangen, heiratet Manolita den einsitzenden Manitas 1939 zum ersten Mal. Es entwickelt sich eine fast burleske Liebe.

670 pralle Seiten voller Situationen, die alle Protagonisten an ihre Grenzen bringt. Keine „leichte“, aber spannende und ergreifende Lektüre.

zum Produkt € 30,00*

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Hartmut Löschcke

Hartmut Löschcke

Echo der Toten. Ein Fall für Friederike Matthée Beate Sauer

kartoniert


Mord im Hungerwinter


Januar 1947: Über dem Land liegt eine Decke aus Schnee und Eis, zwischen Ruinen kämpfen die Menschen ums Überleben, als in der Eifel ein Mord geschieht. Richard Davies von der britischen Military Police soll das Verbrechen aufklären. Doch der einzige Zeuge ist ein sechsjähriger Junge, der sich weigert zu sprechen. Friederike Matthée von der Weiblichen Polizei in Köln wird Richard zur Seite gestellt. Sie kommt, wie der Junge, aus Ostpreußen und findet einen Zugang zu seiner verletzten Seele. Doch die Erinnerungen an die schrecklichen Erlebnisse während der Flucht sind noch so frisch, dass Friederike an ihrer Kraft zweifelt. Und Richard Davies muss mit Menschen zusammenarbeiten, die schwere Schuld auf sich geladen haben.

zum Produkt € 13,00*