Unsere Empfehlungen - Belletristik

Was wir mit Begeisterung gelesen haben:

E.E.
empfohlen von:

Jana Prokop

E.E. Olga Tokarczuk

gebunden

Breslau 1908: Als eine der mittleren Töchter einer kinderreichen deutsch-polnischen Familie führt Erna Eltzner ein eher unauffälliges Leben. Alles ändert sich, als sie wenige Tage nach ihrem fünfzehnten Geburtstag am Mittagstisch ohnmächtig wird. Nicht nur hört sie Stimmen, auch ein Geist erscheint ihr. Frau Eltzner ist in heller Aufregung: Zeigen sich in ihrer Erna, der sie sich am nächsten fühlt von allen Kindern, die medialen Fähigkeiten, über die auch sie zu verfügen meint? Ernas Vater Friedrich Eltzner gehen die Belange seiner Kinder nicht wirklich etwas an. Doktor Löwe besucht die Kranke, wenngleich er für Übersinnliches wenig übrig hat, und rät, nach einem Exorzisten zu schicken. Der wundersame Walter Frommer wird zurate gezogen, seines Zeichens Okkultist und bewandert in esoterischen Belangen. Und Joachim Vogel, zweifellos ein Experte auf seinem Gebiet, der sehr modern über psychische Krankheiten denkt. Wenn Frau Eltzner nun zu Séancen lädt, herrscht feierliche Stille in der Wohnung. Tritt die Tochter mit den Seelen der Verstorbenen in Kontakt, ist die verwitwete Frau Schatzmann, die ihren Mann vermisst, ebenso fasziniert wie ihr Sohn Arthur, der ein großer Physiologe werden will. Handelt es sich um eine Gabe, oder ist Erna dem Wahnsinn verfallen, gar hysterisch? Die Fünfzehnjährige wird zum Phänomen, zum Fall E.E.

Bei dem erst jüngst ins Deutsche übersetzten Roman "E.E." handelt es sich um den zweiten, in Polen bereits 1995 erschienenen Roman der Nobelpreisträgerin von 2018, Olga Tokarczuk. Ort der Handlung: Breslau (heute Wrotzlaw). Zeit der Handlung: 1908 bis 1914. E.E., das ist Erna Eltzner, Tochter aus großbürgerlicher Kaufmannsfamilie.

"Aus dem Nebel der Unbestimmtheit, wie er für gewöhnlich die Existenz mittlerer Töchter in kinderreichen Familien umgibt, trat Erna Eltzner einige Tage nach ihrem fünfzehnten Geburtstag - als sie am Mittagstisch ohnmächtig wurde." So setzt der Roman ein. Erna sieht einen Geist - und das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Sie wird zum Medium in Seancen, die ihre Mutter veranstaltet. In Trance versetzt, gibt sie wunderliche Dinge von sich, die ihr bereitwilliges Publikum an Kontaktaufnahmen zu den Geistern Verstorbener glauben lässt. Oder ist es doch schlichte Hysterie? Und wer ist der oder die Hysterikerin? Kann die Psychoanalyse oder die noch junge Gehirnforschung Klarheit in den Fall E.E. bringen?

Liebevoll und lebendig zeichnet Olga Tokarzuk ihre Figuren, die aus unterschiedlichen Beweggründen nur allzu bereit sind, an Übersinnliches zu glauben: Walter Frommer, Möchtegern-Liebhaber ihrer Mutter, der überzeugt von der Wirklichkeit der Geister ist, und seine Schwester Therese, einst selbst Medium, die dem Verlust dieser Fähigkeit nachtrauert; den alten jüdischen Arzt Löwe, skeptisch, aber doch in seinem Skeptizismus durch das Erlebnis der Seancen erschüttert; den jungen aufstrebenden Wissenschaftler Arthur Schatzmann, der Erna zum Objekt seiner Dissertation macht und von glänzender wissenschaftlicher Laufbahn träumt; seine Mutter, die in den Seancen Kontakt zu ihrem verstorbenen Mann aufnehmen will, in der Hoffnung, dass er ihr verrät, wo das Geld ist; der eher abwesende Vater Eltzner, der sich kaum die Namen seiner acht Kinder merken kann und sich als Textilhändler darüber wundert, weshalb das deutsche Heer plötzlich soviel Uniformstoff braucht; Mutter Eltzner, die das gesellschaftliche Ansehen genießt, das ihr die Seancen bringen. Und dann sind da noch die jüngeren Geschwister von Erna, die einen ganz eigenen Beitrag zum Erfolg der Seancen leisten...

Und Erna selbst? Sie findet das Treiben um sie herum recht seltsam, spielt aber brav mit...

Der "Nebel der Unbestimmtheit" wird bleiben, nicht alles wird sich so aufklären, wie das Geheimnis des gewachsenen Stoffbedarfs des deutschen Heeres und andere Fäden, die zu Poltergeistern führen. Mit feiner Ironie und ohne Denunziation ihrer Figuren entfaltet Olga Tokarzuk ein Gesellschaftsportrait der Jahre vor dem ersten Weltkrieg in der damals deutschen Metropole Breslau.

zum Produkt € 25,00*

Wachs
empfohlen von:

Jana Prokop

Wachs Christine Wunnicke

gebunden

Eine Liebesgeschichte, so schön, so verwegen, wie nur Christine Wunnicke sie schreibt. Schauplatz ist Frankreich im 18. Jahrhundert, das vorrevolutionäre und das überaus revolutionäre. Und es lieben sich zwei Frauen, die verschiedener nicht sein könnten: Marie Biheron, die schon im zarten Alter Leichen seziert, um deren Innenleben aus Wachs zu modellieren; und Madeleine Basseporte, die zeichnend die Anatomie von Blumen aufs Papier zaubert, weil Menschen einen ja doch nur von der Arbeit abhalten und meist keine Ahnung haben. Männer kommen auch vor, in schönen Nebenrollen - ein nervöser Bestseller-Autor, ein junger Nichtsnutz und Diderot, der Kaffee trinkt und viel redet. Ein hinreißender Liebesroman, der hin und her schwingt zwischen der Zeit, als Küchenschellen friedlich am Wegesrand wachsen, und jenen Schreckenstagen, als nicht allein der Königin wie einer schönen Blume der Kopf abgeschlagen wurde.

„An einem Abend im November 1733, lange nach Einbruch der Dunkelheit, stapfte eine kleine Person durch die Wiese, welche die Rue des Filles Angloises von der Kaserne der Schwarzen Musketiere trennte“.

So setzt der neue Roman „Wachs“ von Christine Wunnicke ein. Die kleine Person ist Marie Biheron, ein Kind noch, das in eine Kaserne eindringt, weil sie hofft, dort eine Leiche kaufen zu können. Der Versuch misslingt, erst „drei Tage nach ihrem vierzehnten Geburtstag bekam Marie Biheron ihre erste Leiche. Es war ein kleines Mädchen, etwa drei Jahre alt, verhungert.“

Marie Biheron ist keine von Christine Wunnicke erfundene Figur, sie lebte vom 17. November 1719 bis zum 18. Juni 1795 in Paris und war eine französische Künstlerin sowie Zeichnerin und Bildnerin von anatomischen Wachspräparaten. Aus Wikipedia erfahren wir über sie Folgendes:
„Zur Beschaffung geeigneter Leichen für die anatomischen Studien war Bihéron gezwungen, sich der Hilfe des Militärs zu bedienen. Wegen der schnellen Verwesung der Präparate ging Bihéron von der anfänglich nur zeichnerischen Darstellung zur Schaffung von Wachspräparaten über.In den anatomischen Wachsmodellationen entwickelte sie eine außerordentliche Fertigkeit. Der berühmte Arzt Villoisin und der Botaniker Bernard de Jussieu waren davon beeindruckt, und beide förderten ihre Arbeit. Im Jahre 1759 lud der Chirurg und Enzyklopädist Sauveur François Morand sie ein, ihre Arbeiten auch in der Académie des sciences vorzuführen. Sie wurde dort erneut im Jahre 1770 eingeladen, um ein innovatives, sehr detailliertes und naturgetreues Modell einer schwangeren Frau und eines Fötus zu demonstrieren; ein komplettes Modell mit beweglichen und herausnehmbaren Teilen. 1771 präsentierte sie zum dritten Mal ihre Werke in der Académie des sciences, wo auch der Kronprinz von Schweden, Gustav III., ihre Arbeiten begutachtete.

Ihre Modelle erreichten internationalen Ruf sowohl wegen ihrer großen anatomischen Genauigkeit als auch wegen ihrer Realitätsnähe, und weil sie offenbar ein Verfahren zur Herstellung der Wachsmodelle entwickelt hatte, bei dem das Wachs bei Zimmertemperatur und darüber hinreichend fest blieb.Bihéron zog zeitweise nach England, weil es in Frankreich Frauen nicht erlaubt war, Anatomie zu lehren. Unter ihren englischen Studenten war John Hunter, ein schottischer Arzt und Chirurg, der später große Fortschritte auf dem Gebiet der Chirurgie einleitete. Bihérons anatomischer Unterricht soll entscheidend für seine späteren Studien gewesen sein, und einige Abbildungen in seinen Lehrbüchern stammen wahrscheinlich von Bihéron.“

Die letzten verlässlichen Nachrichten aus ihrem Leben, so lässt es uns Christine Wunnicke in einer Nachbemerkung wissen, stammen aus den 1780er-Jahren, sie scheine in dieser Zeit ihr anatomische Wachskabinett geschlossen und die noch vorhandenen Präparate an Marie Antoinette verkauft zu haben. Von ihren Arbeiten ist nichts erhalten geblieben.

Gelernt hat Biheron das Zeichnen bei der Pflanzenmalerin Madeleine Françoise Basseporte (* 28. April 1701 † 6. September 1780 ), der zweiten Hauptperson des Romans.

„1731 traf Basseporte mit dem offiziellen Pflanzenmaler des Jardin du Roi, Claude Aubriet, der auch ihr Lehrer war, ein Arrangement, dass sie dort malen, jedoch acht Jahre lang ihre Werke nicht verkaufen durfte. Ihre Bilder waren aber so gut, dass bereits 1732 die ersten Bilder in die Bibliothèque du Roi aufgenommen wurden.“ (Wikipedia) Später wurde sie zum Mitglied der Académie royale des sciences berufen.

Christine Wunnicke erzählt uns in wunderbar gestalteten Episoden, die souverän durch die Jahrzehnte ihrer Leben springen, mit feiner Ironie von diesen beiden historischen Frauen, die in ihren Gebieten im 18. Jahrhundert Herausragendes geleistet haben und sie erdichtet ihnen eine Liebesgeschichte. Wir lesen eine Geschichte über die Leidenschaft der Erforschung des menschlichen Körpers, über die Techniken seiner Darstellung, über die Lebensbedingungen im vorrevolutionären und revolutionären Paris und über zwei starke Frauen, die sich im Zeitalter der Aufklärung beharrlich durchsetzen. Wir begegnen zahlreichen historischen Nebenfiguren, wie Madame Pompadour, Marie Antoinette oder dem Enzyklopädisten Diderot, ihrem Nachbarn, der Marie erfolglos zu Beiträgen zur Enzyklopädie drängt und mit Vorträgen langweilt. „Wenn Sie mir nun die Anatomie des Gehirns einmal mehr zu erklären versuchen, dann werfe ich Sie hinaus.“

Vor einer Woche hatten wir an dieser Stelle den Berenberg-Verlag vorgestellt, in dem seit einigen Jahren die Bücher von Christine Wunnicke erscheinen. Heinrich von Berenberg schreibt über sie, „unsere wunderbare, einmalige, großartige, exzentrische, vielgebildete, unterschätzte, grandiose und die Verborgenheit schätzende Autorin“: „Die Ankunft eines Manuskripts von Christine Wunnicke ist jedes Mal ein kleines Fest. Alle hier im Verlag warten fieberhaft drauf und sind noch nie enttäuscht worden.“

So geht es auch uns als begeisterten Lesern ihrer Bücher, denen der „Drang, die Dinge zu durchdringen, den Rang von Klassikern der menschlichen Natur verschafft“ (Katharina Teutsch, Die Zeit).

zum Produkt € 24,00*

Vom Stemmen der Gewichte
empfohlen von:

Jana Prokop

Vom Stemmen der Gewichte Heinrich von Berenberg

kartoniert

Man sollte sich hüten, sich allzu ernst zu nehmen, wenn man Bücher nicht schreibt, sondern sie nur drucken lässt. Aber nach 20 Jahren sind ein paar Berichte aus dieser Tätigkeit vielleicht doch nicht ganz uninteressant. Also versuchen wir es mal: Dieser schmale Band aus biegsamem Material versammelt Porträts, Gespräche, Reiseberichte und eine Auswahl jener Newsletter, die über die Jahre unregelmäßig über das Wie und Wer in diesem Verlag informiert haben: vom Elend der Vorschautexte über 'schwierige Autoren', aus Israel, Palästina und anderswo. Nicht zu vergessen: der Kosmos Spanien und Lateinamerika und warum er für uns so wichtig ist. Mit Texten über Roberto Bolaño, Rafael Chirbes, Michael Rutschky, Vicente Valero sowie einem Gedicht von Christine Wunnicke: 'Ein Logo spricht'.

„In jedem dicken Buch steckt ein dünnes, das schreit: Ich will raus!“

Dieses Zitat des Historikers Robert Darnton war eines der Motti für das erste Programm des Berenberg Verlages, der 2024 sein 20jähriges Jubiläum feierte und in den Jahren 2019, 2020 und 2023 mit dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet worden ist.

In seiner Selbstbeschreibung ist der Berenberg Verlag „ein Literaturverlag mit viel Non-Fiction im Programm. Wir bemühen uns um deutschsprachige Literatur, sind aber störrisch international. Roter Faden: autobiografische und biografische Literatur, Essay-Literatur, Memoiren-Literatur – Betonung auf »Literatur«!“

Der Verlag wurde 2004 von Heinrich von Berenberg und seiner Frau Petra gegründet. Berenberg war zuvor lange Jahre Lektor im Wagenbach-Verlag mit einem Schwerpunkt für spanische und lateinamerikanische Literatur, er hat u.a. Roberto Bolano für das deutsche Publikum entdeckt und übersetzt.

„Ein Grund, warum man vom Lektor zum Verlagsgründer mutiert, ist der Wunsch, irgendwann den Büchern, die man entdeckt hat, den eigenen Stempel aufzuprägen. »Freund und Feind« von John Maynard Keynes, seit achtzehn Jahren in diesem Verlag lieferbar und immer wieder nachgedruckt, war in dieser Hinsicht ein »Ur-Buch«: Mit diesem Titel, entdeckt Ende der neunziger Jahre auf dem Pariser Salon du livre, verband sich zum ersten Mal der Wunsch, ein eigenes, nicht belletristisches Verlagsprogramm zu entwickeln.“ (H.v. Berenberg)

Am Anfang stand auch der Wunsch, „endlich wieder schöne Bücher“ zu machen: „Tatsächlich hatten wir uns vorgenommen, zusammen mit unserer ersten Graphik-Adresse, Rainer Groothuis' Hamburger Werkstatt, mithilfe von schwarzem Halbleinen, schönen Vorsatzblättern, sorgfältiger Typographie, schönem Papier und schön gestalteten Umschlägen, dem Sammeltrieb der Bücherleser und den Schaufenstern der Buchhandlungen ausreichend Stoff zu geben.“ Und das ist dem Verlag gelungen: Die Aufmachung der inzwischen in mehreren nach Format, Einband und Gestaltung unterschiedlichen Reihen des Verlags ist qualitativ hochwertig und unverwechselbar – Berenberg-Bücher sind tatsächlich besonders schöne Bücher.

Dominierte in den ersten Jahren essayistische und biographische Literatur das Programm, wurde es später in Richtung belletristischer Literatur und Lyrik erweitert; Autoren wie Christine Wunnicke oder Ulrich Rüdenauer wurden entdeckt, die im aktuellen Verlagsprogramm vertreten sind (dazu an dieser Stelle demnächst mehr). Geprägt wird das Programm des Verlages, einschließlich der Romane, durch Berenbergs Interesse an Lebensläufen, wobei es ihm nicht um dickleibige Biographien, sondern um schlanke essayistische oder literarische Formen geht, wie sie etwa die Romane von Christine Wunnicke charakterisieren.

Die Liste der namhaften Autoren des Verlags ist lang und vielseitig. Hervorzuheben sind: Héctor Abad, Maike Albath, Perry Anderson, Roberto Bolaño, Félix Bruzzone, Gilbert K. Chesterton, Detlev Claussen, Marc Degens, Ben Hecht, Christopher Isherwood, Joachim Kalka, Otto Kallscheuer, John Maynard Keynes, Michael Maar, Pankaj Mishra, Ursula Muscheler, Michael Rutschky, Ricardo Piglia, Josep Pla, Lytton Strachey, August Strindberg, Georg von Wallwitz, Eliot Weinberger, Christine Wunnicke und Eugeni Xammar.

Anlässlich des Verlagsjubiläums hat Verleger Heinrich von Berenberg mit „Vom Stemmen der Gewichte - News und Letters“ ein eigenes Buch vorgelegt, das bereits früher verstreut veröffentlichte Texte versammelt. Den Auftakt bildet ein Porträt der Stadt Barcelona („Erinnerungen an eine Stadt am Meer“), das seine jahrzehntelange Beziehung zu dieser Stadt und den katalanischen und spanischen Autoren schildert, denen Berenberg hier begegnete. Für Liebhaber Barcelonas und ebenso für solche, die es werden wollen, ein wunderbar funkelndes Stadtporträt. Es schließen sich einige Essays über Berenbergs Lieblingsautoren der spanischsprachigen Literatur an wie Javier Tomeo, Rafael Chirbes, Josep Pla und Roberto Bolano, denen Berenberg teils persönlich begegnet ist und die große Lust machen, diese Autoren (wieder) zu lesen.

Den Schwerpunkt des Bandes bilden kurze, zunächst in den Newslettern des Verlages erschienene Texte über Autoren des Verlages und ihre Bücher. Es sind nicht einfach Texte – es sind anekdotenreiche und literarische Liebeserklärungen an „seine“ Autoren und ihre Bücher. Berenberg schreibt einleitend, es könne nachgelesen werden, was er von seinen Autorinnen und Autoren und im Austausch mit ihnen gelernt habe. „Es ist viel; es hat mich, meine Ansichten und meine Gedanken verändert und bereichert, und das, finde ich, ist das Beste, was die Arbeit als Verleger von Büchern hergeben kann.“

Ein wenig bedauern wir nach der Lektüre dieser glänzend und witzig geschriebenen Autoren-Porträts, dass von dem Autor Berenberg außer diesem Band keine weiteren Bücher erhältlich sind. Eine unterhaltsame und inspirierende Werbeschrift für das Verlagsprogramm. Unsere Liste der demnächst unbedingt zu lesenden Bücher und Autoren ist nach der Lektüre wieder einmal bedenklich länger geworden…

Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk hat Berenberg, der in diesem Jahr 75 wird, angekündigt, dass in diesem Herbst kein neues Programm erscheinen soll, man wolle nach 20 Jahren eine Zäsur machen und überlegen, wie es weitergehen kann. Wir wünschen uns eine Zukunft des Verlages und seiner vielseitigen, oft überraschenden und ebenso schönen wie klugen Bücher.

zum Produkt € 22,00*

Frühlingsnacht
empfohlen von:

Jana Prokop

Frühlingsnacht Tarjei Vesaas

gebunden

Tarjei Vesaas (1897-1970) erreichte mit seinem Schreiben eine einzigartige Meisterschaft: klar komponierte Geschichten, eine verdichtete, geradezu glühende Sprache, eigenwillige Figuren voller Spannungen, die ihrer inneren Stimme folgen. In .Frühlingsnacht. steht der 14-jährige Hallstein im Mittelpunkt, gerade an der Schwelle zwischen Kindlichkeit und Erwachsenensein, der mit seiner älteren Schwester Sissel über Nacht allein zu Hause bleibt, als die Eltern zu einer Beerdigung in die nahe Ortschaft fahren. Hitze und Feuchtigkeit liegen drückend auf dem Tag, und als die Geschwister sich zum Abendessen setzen, klopft es an der Tür. Eine fremde Familie benötigt nach einer Autopanne Unterkunft, zumal eine junge Frau kurz vor der Entbindung steht. Alle sind in Aufruhr, die Besucher bringen dramatische Konflikte mit, und die Frühlingsnacht wird zu einem Abenteuer, das Ungeklärtes zutage befördert und jeden verändert zurücklässt.

Tarjei Vesaas schafft mit wenigen Strichen eine verzauberte Atmosphäre. Die norwegische Natur um das Haus blüht und wächst, Bäume schlagen aus, Knospen springen auf, und der unaufhaltsame Lebenstrieb sprießt auch in Hallstein und Sissel. Durch Hallsteins Augen nehmen wir das Geschehen wahr, und ohne dass es Erklärungen gäbe, verstehen wir nach der Lektüre mehr von dem, was in und um uns wirkt. Hinrich Schmidt-Henkels Übersetzung gelingt das Wunder, das auch Vesaas' Prosa so magisch macht: Vieles bleibt unausgesprochen, verharrt in Andeutungen, und doch entsteht zwischen den Zeilen ein poetischer Raum, eine eigene Welt, die Trost bietet und die man nicht mehr verlassen möchte.

Der Guggolz Verlag wurde 2014 vom Verleger Sebastian Guggolz gegründet. In der Selbstdarstellung des Verlages heißt es:

„Die Flut an neuen Veröffentlichungen führt dazu, dass die Halbwertszeit der Bücher immer kürzer wird. Die Neuerscheinungen, die sich nicht innerhalb weniger Monate durchsetzen, werden kurzerhand wieder aus den Regalen geräumt, sie verschwinden aus den Buchläden und werden dadurch dem Vergessen preisgegeben.

Was sagt das über die Qualität dieser Bücher? Nichts. Und aus diesem Grund will sich der Guggolz Verlag genau diesen Büchern und Autoren widmen und sie angemessen präsentieren. Das Ziel ist es, diese Literatur auf dem deutschen Buchmarkt breiter und vielgestaltiger verfügbar zu machen. Ziel ist es aber auch, Regionen auf der literarischen Landkarte sichtbar zu machen, die häufig nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Abseits der kulturellen Metropolen findet sich die Literatur, die sich nicht so sehr nach Moden oder dem Zeitgeist richten muss, sondern die näher am alltäglichen Leben der Menschen ist und den Raum und die Freiheit hat, sich in ihrer Eigenheit zu entwickeln.“

Im Verlagsprogramm finden wir u.a. Übersetzungen aus den skandinavischen Sprachen, dem Schottischen, den baltischen Sprachen, dem Ukrainischen und sogar aus dem Faröischen (Heðin Brús »Vater und Sohn unterwegs«). Der Verlag arbeitet mit hervorragenden Übersetzern zusammen und die einzelnen Bände werden von Mirko Merkel sehr ansprechend und charakteristisch gestaltet.

Beispielhaft für das wunderbare Programm des Verlages abseits des Mainstreams seien die ersten beiden Bände der in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts geschriebenen Roman-Trilogie des großen schottischen Autors Lewis Grassic Gibbon genannt, „Lied vom Abendrot“ (2018) und „Wind und Wolkenlicht“ (2021), in der kongenialen Übersetzung von Esther Kinsky. Wir warten sehnsüchtig darauf, dass Esther Kinsky und Guggolz die angekündigte Übersetzung des dritten Bandes dieses in einer Umfrage in Schottland zum 'best Scottish book of all time' gewählten Werkes vorlegen.

Seit 2019 erscheinen bei Guggolz Werke des norwegischen Autors Tarjei Vesaas (1897 – 1970), den die FAZ zu den „bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts“ zählt (Bettina Hartz), jeweils in der Übersetzung des preisgekrönten Übersetzers Hinrich Schmidt-Henkel, der auch die Romane des Nobelpreisträgers von 2023, Jon Fosse, ins Deutsche übertragen hat. 2020 erschienen ist der Roman „Die Vögel“, den Karl Ove Knausgard als „den besten norqegischen Roman, der je geschrieben wurde, bezeichnet hat. Seit März 2025 liegt nun die Übersetzung von „Frühlingsnacht“ vor.

Schon die ersten Sätze des im Original 1954 erschienenen Romans setzen den Ton: „Das ganze Haus fühlte sich anders an, weil dies eine Mal beide, Vater und Mutter, weggefahren waren. Sie waren früh heute weggefahren und hatten ihr eigenes Gewicht mitgenommen. Es war gut mit Ihnen auszukommen, aber doch: Jetzt atmete man erleichtert auf und war allein.“ Der 14jährige Hallstein und seine ältere Schwester Sissel werden aber nicht lange allein bleiben. Nachdem Hallstein zunächst ein Gespräch seiner Schwester mit ihrem Verehrer Tore belauscht, sich dann mit seiner phantasierten „Märchenfreundin“ Gudrun unterhalten und mit seiner Schwester auf seiner Lieblingswiese voller Engelwurz gelegen hat, bricht eine mysteriöse Familie in ihr scheinbares Idyll ein, die kurz vor ihrem Haus eine Autopanne hat. Diese Familie besteht aus dem Vater Hjalmar, der nur als der „Fahrige“ und „Unruhige“ bezeichnet wird, seinem aggressiven Sohn Karl, von dem wir erfahren, dass er im Krieg war, seiner Schwester Gudrun (sic!), in die sich Hallstein verlieben wird, Karls Frau Grete, die in den Wehen liegt und der Frau von Hjalmar, der zunächst im Wagen gebliebenen und angeblich bewegungsunfähigen und stummen Christine, die später von Hjalmar und Karl ins Haus getragen wird. Da es im Haus kein Telefon gibt, wird Hallstein mit Karl per Fahrrad eine Hebamme herbeiholen.

Die Beziehungen unter den Mitgliedern dieser Familie bleiben rätselhaft, vieles wird nur angedeutet, Hjalmar und Christine führen offenbar einen stummen Kampf um Schuld und Beherrschung. Obwohl Hallstein und Sissel nicht verstehen, um was es eigentlich geht, lassen sie sich in die Konflikte ihrer Überraschungsgäste hineinziehen. Christine, die durchaus sprechen kann und wohl auch aus eigener Kraft gehen könnte, bittet Hallstein um Hilfe, wofür bleibt unklar. Auch Hjalmar gegenüber wird sich der überforderte Hallstein zur Hilfe verpflichten. Die Frühlingsnacht wird eine Geburt ebenso sehen, wie einen Todesfall und Hallstein wird eine Lektion lernen über unerwiderte Gefühle.

Vejaas schafft in poetischer Sprache eine Atmosphäre, die Anklänge an romantische Schauergeschichten hat, sich aber als zeitgemäße und zeitlose psychologische Studie über menschliches Verhalten und Konflikte erweist. „Die große Kunst Vessas‘ ist, dass er die Grenze zwischen innen und außen durchlässig macht und seinen Erzähler mäandern lässt zwischen objektivierender und höchst subjektiver Sicht.“ (Bettina Hartz, FAZ)

Sissel und Hallstein werden diese Frühlingsnacht nicht vergessen. Wir auch nicht. Und wir freuen uns auf weitere Ausgrabungen weltliterarischer Präziosen durch Sebastian Guggolz und seinen Verlag.

zum Produkt € 25,00*

Almosen fürs Vergessen / Fielding Gray
empfohlen von:

Jana Prokop

Almosen fürs Vergessen / Fielding Gray Simon Raven

gebunden

Fielding Gray ist der strahlende Star der Schule. Brillant in Latein und Griechisch, glänzt er auch beim Cricket und vermag es, alle mit seiner Attraktivität, seiner Eloquenz und einem charmanten Hang zum Draufgängertum für sich einzunehmen. Kurz bevor er 1945 sein letztes Schuljahr antritt, verliebt er sich in den zurückhaltenden blonden Christopher, an dem ihn vor allem dessen Unschuld fasziniert. Obwohl sein bester Freund vor einem möglichen Skandal warnt und ihn ein Konkurrent um die Position des Schulkapitäns offensichtlich genau im Blick behält, bahnt sich eine Tragödie an - und auch außerhalb der Schule gerät Fielding Grays verheißungsvolle Zukunft ins Wanken. - "Fielding Gray" ist ein berührender Roman über Freundschaft und enttäuschte Erwartungen, Begehrlichkeit und schicksalhaftes Scheitern, manipulative Machenschaften und Schuld.

Die Geschichte des Elfenbein-Verlags, der heute seinen Sitz in Berlin-Frohnau hat, geht zurück ins Jahr 1996. Über die Gründungsgeschichte bzw. den Gründungsmythos heißt es auf der Seite des Verlages:

„1996: Am Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg geben Ingo Držečnik (*1971) und Roman Pliske (*1970) die Literaturzeitschrift metamorphosen heraus, in der neben Buch- und Filmbesprechungen, Aufsätze zu Literatur, Kunst und Kultur sowie regionaler Kulturberichterstattung auch Erstveröffentlichungen junger Talente erscheinen. Bei ihrer Arbeit lernen sie den Lyriker Andreas Holschuh kennen, dessen Gedichte Unterderhand sie sofort begeistern und der eigentliche Anlass für die Verlagsgründung werden. Sie verkaufen kurzerhand ihre Autos, gehen auf die Suche nach einer bezahlbaren Druckerei und finden diese im tschechischen Klatovy, unweit der bayerischen Grenze. Das erste Buch der neuen Reihe »Edition Lyrik der Jahrtausendwende« erscheint als Hardcover mit Schutzumschlag und farbig bedrucktem Vorsatz und setzt damit einen ersten ästhetischen Maßstab für die bald in rascher Folge erscheinenden Elfenbein-Bücher. Um weiter Kosten zu sparen, begeben sich die Verleger auf abenteuerliche Tschechienfahrten, wo sie die fertig gedruckten und gebundenen Bücher selbst kontrollieren und abholen sowie mit Zöllnern über Einfuhrumsatzsteuern und »pornografische Inhalte« verhandeln.“ (

Der Verlag feiert demnächst also sein 30jähriges Bestehen. Verlegt wurden und werden Übersetzungen und zweisprachige Ausgaben der Werke zahlreicher Autorinnen und Autoren aus ganz Europa in vielfach auch gestalterisch außergewöhnlich schönen Büchern.

Zu den verlegerischen Großtaten gehört u.a. die Veröffentlichung der ersten vollständigen Übersetzung des großen Romanzyklus des mit Proust und Balzac verglichenen Anthony Powell „Ein Tanz zur Musik der Zeit“ in den Jahren 2015 bis 2018, »die schönste lange Romanreise der Weltliteratur« (Andreas Isenschmid in der ZEIT). Weitere Werke Powells folgten. Auch die 2017 erfolgte Herausgabe einer zweisprachigen Fassung der modernen „Odyssee“ von Nikos Kazantzakis gehört in die Reihe der verdienstvollen Pflege des weltliterarischen Erbes durch Elfenbein.

Unlängst hat der Verlag nun die Herausgabe eines weiteren großen Romanzyklus der britischen Literatur des 20. Jahrhunderts abgeschlossen und mit „Den Überlebenden“ den 10. Band von Simon Ravens „Almosen fürs Vergessen“ (Alms for oblivion) in der zu Recht gelobten Übersetzung von Sabine Franke vorgelegt. Joachim Kalka hat in der FAZ diesen „wunderbaren sardonisch-gemeinen“ Romanzyklus, erschienen im Original zwischen 1964 und 1976 und spielend zwischen 1945 und 1973, ein „höchst wichtiges und höchst unterhaltsames Unternehmen“ genannt. Der Romanzyklus, dessen erster Band „Fielding Gray“ im Mai 1945 mit einer Trauerfeier in einem Oberklasse-Internat für die Gefallen des eben (in Europa) beendeten Weltkrieges einsetzt, zeichnet satirisch und zugleich realistisch die britische Gesellschaft der Nachkriegszeit, aber ist darüber hinaus eine zeitlose comédie humaine in bester weltliterarischer Tradition.

Der Titel „alms for oblivion“ stammt – wie könnte es anders sein – von Shakespeare: „Die Zeit, Herr, trägt nen Sack auf ihrem Rücken./ Sie steckt Almosen für’s Vergessen ein,/ Dies riesige Scheusal von Undankbarkeiten.“ (Troilus und Cressida ,in der Übersetzung von Erich Fried).

Wir begegnen bei Raven einem großen Kosmos von Figuren, die teils an reale britische Akteure aus der Romanzeit erinnern und zu denen u.a. auch der an Ravens eigene Biografie angelehnte Fielding Gray gehört, die Hauptfigur und zugleich der Ich-Erzähler des ersten Bandes, strahlender Star seiner Schule, bereit zu sexuellen Eskapaden, der rückblickend über sein Scheitern in einer „Geschichte von Verheißung und Verrat“ berichtet. Raven selbst wurde 1945 wegen homosexueller Aktivitäten von der Charterhouse School geworfen, ging dann zur Armee, aus der er später ausschied, um einer unehrenhaften Entlassung wegen Spielschulden zuvorzukommen. Er war ein produktiver Autor mit verruchtem und hedonischem Lebenswandel, dem sein Verleger über 30 Jahre ein festes und auskömmliches Gehalt zahlte, allerdings unter der Bedingung, dass sich Raven von London fernhalte.

In den Nachrufen auf Raven hieß es, er habe „den Verstand eines Schurken und schreibe wie ein Engel“. Und wir können überzeugt bestätigen, dass sich Ravens Romane auch achtzig Jahre nach dem Beginn ihrer Handlung und fast 50 Jahre nach der Veröffentlichung des letzten Bandes höchst gegenwärtig und vergnüglich lesen. Dem Elfenbein-Verlag sei für dieses Vergnügen gedankt!

zum Produkt € 22,00*

Die Richtige
empfohlen von:

Jana Prokop

Die Richtige Martin Mosebach

gebunden

Mit diesem Roman erklimmt Martin Mosebach neue Höhen - ein großes Buch, bildstark, voller Überraschungen und hinreißend erzählt.

Der neue Roman des Büchnerpreisträgers zeigt Martin Mosebach erneut als Meister der psychologischen Menschenzeichnung, der bildmächtigen Beschreibung und der feinen, illusionslosen Ironie bei der Schilderung menschlicher Abgründe.

Louis Creutz ist genialischer und eher altmeisterlicher Maler mit obsessiven Vorstellungen von der Darstellung des nackten Körpers, inzwischen erfolgreich, seit seinen Anfängen gefördert von Beate und Rudolf, wohlhabenden Industriellen. Beate sammelt extravagante Designer-Handtaschen, die sie in Vitrinen ihres Hauses ausstellt, und ist auch sonst eher nicht so sympathisch. Rudolfs Bruder Dietrich, schüchterner Unternehmen mit Hang zum Kartenspiel und der Jagd, muss - so sieht es Beate - endlich unter die Haube gebracht werden. Und da erscheint Astrid, die auf einer Vernissage von Creutz auftaucht, genau als die Richtige. Und weil Dietrich das nicht so recht erkennen will, bittet Beate Creutz um Unterstützung, der sich mit Dietrich anfreundet, aber eigene Pläne mit Astrid hat. Er braucht ein neues Modell für seine sehr eigenwillige Aktmalerei, das (nicht nur) bereit ist, sich in langwierigen Sitzungen in unbequemen Stellungen bewegungslos darzubieten... Das Verhängnis nimmt seinen Lauf.

Ein Sittengemälde aus dem Bürgertum, eine brillante Satire auf den Kunstbetrieb, ein Roman über eine sehr spezifische Art des Missbrauchs - und ein großes Lesevergnügen. Besonders eindrucksvoll ist eine Nebenfigur, Flora Ortiz, obdachlos, psychisch versehrt und ehemaliges Modell von Creutz, deren Streifzüge durch die Stadt Mosebach als Kontrast zur Welt seiner bürgerlichen Protagonisten gestaltet.

Und dann sind da die Tauben, die Creutz in seinem Atelier aufsuchen. Der Roman setzt ein mit der Schilderung, wie ein Taubenpaar sich regelmäßig auf beiden Seiten einer Fensterscheibe des Ateliers begegnet: "Sie betrachteten einander zunächst, dann pickten sie in Richtung des gegenüberliegenden Schnabels - das war ganz zart zu hören-, dann gerieten sie in Erregung, ließen die Flügel wild flattern, so daß sie beinahe unsichtbar wurden, versuchten in der Luft zu stehen und zugleich die kleinen Brüste aneinanderzudrängen, was sie niemals taten, wie der Maler zu beobachten meinte, wenn sie ohne das durchsichtige Hindernis zusammen waren." Wir werden den Tauben am Ende des Romans wieder begegnen.

zum Produkt € 26,00*

Die Nulllinie
empfohlen von:

Jana Prokop

Die Nulllinie Szczepan Twardoch

gebunden

Krieg, Kampf, das Dunkle im Menschen sind ein Lebensthema von Szczepan Twardoch, in all seinen Büchern. In den letzten zwei Jahren ist er als einziger westlicher Autor mehrmals mitten in den Krieg gereist, bis an die Nulllinie, die Front im Osten der Ukraine, war unterwegs mit Soldaten, Offizieren, einfachen Leuten wie Strategen. Er brachte Hilfslieferungen, sah das Sterben, war selbst in Gefahr.

In diesem so erzählerischen wie existenziellen Buch schreibt Twardoch über den Krieg, blickt zurück, erzählt von seinen Großvätern, die in den Weltkriegen kämpften, betrachtet das 20. Jahrhundert und denkt mit Thukydides nach über die Gewalt. Reich durch seine Erfahrungen wie Lektüren, durch seine Gespräche mit Menschen, für die es um alles geht, ist dieser vom Erleben gespeiste Text eine große Erzählung über das Menschliche an sich, über Leben und Freiheit, Tod und Mut. Um was lohnt es zu kämpfen? Und was macht der Krieg mit dem Menschen, seiner Seele?

Szczepan Twardoch hat einige große Romane veröffentlicht, die die Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts zum Gegenstand haben („Der Boxer“, „Demut“, zuletzt 2024 „Kälte“). Sein neuer Roman „Die Nulllinie“ trägt den Untertitel "Roman aus dem Krieg". Der Krieg von dem hier die Rede ist, ist nicht historisch, er ist auch nicht beendet. Es geht um den Verteidigungskrieg der Ukraine gegen den russischen Angriff. Twardoch ist polnischer Staatsbürger, hat aber als Unterstützer vielfach Material an die ukrainische Front gebracht, er war mit Soldaten unterwegs und hat die Schrecken dieses Krieges aus der Nähe erfahren und sich dabei in Gefahr begeben.

Auch wenn man mit Anpreisungen in Klappentexten der Verlage vorsichtig sein muss, scheint es uns nicht zu hoch gegriffen, den Roman in eine Reihe mit den großen Kriegsromanen etwa von Remarque („Im Westen nichts Neues“) oder Hemingway („Wem die Stunde schlägt“) zu stellen. Dieser Roman wird bleiben und auch kommenden Generationen noch von der Wirklichkeit des Ukraine-Krieges erzählen.

Im Mittelpunkt der Erzählung steht ein polnischer Kriegsfreiwilliger, der sich Kon nennt und der zunächst als Drohnenpilot eingesetzt wurde, in der Erzählung aber als einfacher Soldat auf dem Ostufer des Flusses Dnipro („Unser Vater Dnipro“) in einem ukrainischen Brückenkopf kämpft. Die Haupthandlung des Romans umfasst nur eine kurze Zeitspanne von einigen Stunden und spielt auf wenigen Quadratmetern. Wir lernen eine überschaubare Anzahl von Kämpfern kennen, ihre persönlichen Geschichten und sehr unterschiedlichen Motivationen. Die Erzählung des Kriegsgeschehens ist hautnah. Wir befinden uns mit den Protagonisten in den Kellern zerstörter Häuser, wir erleben die Realität eines Kampfgeschehens, das wesentlich durch den Einsatz von Drohnen geprägt ist, die von den Soldaten teils privat finanziert werden müssen. Twardoch ist ein begnadeter Erzähler, der Rhythmus seiner Sprache und die literarischen Mittel sind seinem Stoff gewachsen. Die Erzählstimme schaut dem Protagonisten – einer Drohne gleich – von oben zu und ist zugleich seine eigene Stimme im inneren Dialog.

Twardoch stellt seiner Erzählung ein Motto aus der Ilias voran, in dem es – aus der Perspektive des Achill – um die Alternative zwischen Überleben und ewigem Nachruhm des gefallenen Kriegers geht.

"Aber wenn heim ich kehre zum lieben Lande der Väter;
dann sei verwelkt mein Ruhm, doch weithin reiche des Lebens
Dauer, und nicht frühzeitig ans Ziel des Todes gelang ich."

Zur literarisch-historischen Einordnung der Konfrontation zwischen der Großmacht Russland und der Ukraine bezieht sich Twardoch auf den berühmten Melier-Dialog, über den Thukydides in seinem „Peloponnesischen Krieg“ berichtet. Die Athener als die Stärkeren konfrontieren die Einwohner der Insel Melos, die im Krieg zwischen Athen und Sparta neutral bleiben wollen, mit der Forderung nach Unterwerfung und Beitritt zum athenischen Bündnis und argumentieren ausschließlich damit, dass sie die Stärkeren sind – so wie Putin vor dem Überfall auf die Ukraine dieser mit der Vernichtung drohte und die (vermeintliche) Unumgänglichkeit ihrer Unterwerfung betonte („Du wirst dich fügen müssen, meine Schöne“).

"Das ganze Problem des politischen Realismus der Schwächeren besteht darin, dass man wissen müsste, ob die Spartaner kommen. Nur kann man das nicht im Voraus wissen. Dass die Spartaner kommen werden, dass am Ende Hunderte von Panzern aus Polen in die Ukraine rollen, diese ganze große Hilfe, die sich auf der Autobahn 4 von Westen nach Osten wälzte, was du bei der Fahrt von Breslau nach Lemberg gesehen hast, diese Arterie des Krieges, angefüllt mit Containern und Lafetten, davon konnte man ja am Anfang keineswegs sicher ausgehen. Man weiß nie. Wie soll man politischer Realist sein im Nebel, im Chaos, in der Uneindeutigkeit? Rechtfertigt der spätere Erfolg das große Risiko?"

In der Realgeschichte des peloponnesischen Krieges sind die Spartaner den Meliern nicht zur Hilfe gekommen, alle Männer wurden nach der Verweigerung der Unterwerfung von den Athenern getötet und die Frauen und Kinder versklavt.

In einer Nachbemerkung erklärt Twardoch, dass „Die Nulllinie“ ein „Roman über den wirklichen Krieg“ sei, „jedoch sind die darin beschriebenen Personen und Ereignisse fiktiv; sie müssen es sein, damit ich diesen Krieg so nah an der Wahrheit beschreiben kann, wie ich es vermag.“

Im Gespräch mit Thomas Böhm (Radio 1 vom RBB) hat Twardoch auf die Frage, welche Wahrheit er meint, ausgeführt:
„Ich bin Romanautor. Ich arbeite also mit den Werkzeugen, die ich am besten kenne. Das war ein Grund, mich für die Form des Romans zu entscheiden. Der zweite ist, dass viele meiner Charaktere auf realen Personen basieren. Wenn ich Sachbücher schreiben würde, müsste ich bei der Beschreibung viel vorsichtiger sein. Um ihnen nicht zu schaden. Nicht nur den Russen, sondern auch den Menschen innerhalb des ukrainischen Militärs. Die Fiktion ist der Schutzwall, mit dem ich meine Freunde schütze. Die Menschen, die ich kenne und denen ich nur Gutes wünsche. Es gibt noch einen dritten Grund. Nämlich den, dass ich fest davon überzeugt bin, dass der Roman eine sehr wichtige Errungenschaft unserer Zivilisation ist. Wie die Quantenphysik oder die gotische Kathedrale. Der Roman ist eine Form, die es uns Schreibenden ermöglicht, das Leben wahrheitsgetreu zu beschreiben. Vielstimmig. Ein Roman kann das Leben in all seiner Vielfalt, Tiefe und Komplexität beschreiben. Sachbücher haben ihre Grenzen. In Sachbüchern kann man das Innenleben der Figuren nicht beschreiben, weil man es einfach nicht kennt. Man kann sich nicht ausmalen, was sie fühlen. In einem Roman sollte man genau das tun.“
Und wir können dankbar lesen, dass dieses wahrhaftige Erzählen Twardoch in grandioser Weise gelungen ist.
Angesprochen auf das Motto aus der Ilias und das Thema des soldatischen Ruhms berichtet Twardoch von den Ratuschni-Brüdern, die im Ukraine-Krieg gefallen sind, einer von ihnen ein „sehr junger Dichter und Aktivist, der seit 2014 kämpfte. Er fiel, glaube ich, letztes Jahr. Die ganze Nation trauerte nach seinem Tod. Seine Beerdigung in Kiew war eine Massenveranstaltung. Tausende Menschen kamen, um ihm die Ehre zu erweisen. Er hatte einen Bruder, der vor zwei Monaten starb. Zurück blieb die Mutter, die beide Söhne im Krieg verlor und nun die Hüterin ihrer Erinnerung ist. Ja, sie taten, was Achilles tat. Sie erlangten ewigen Ruhm, ewige Berühmtheit. Aber sie verloren ihr Leben, sie verloren die ganze Welt. Sie verloren die Möglichkeit zu lieben, Kinder zu haben, Gedichte zu schreiben, Künstler zu sein, einfach alles. Sie verloren alles, aber erlangten ewigen Ruhm. War es ihre Entscheidung? Ich weiß es nicht. Sie akzeptierten die Möglichkeit zu sterben. Sie haben sich nicht vor der Einberufung gedrückt, sondern sich freiwillig gemeldet, weil sie kämpfen wollten. Sie haben die Möglichkeit des Todes in Kauf genommen, ihr Leben zu verlieren, um ihr Land zu verteidigen. Ich schätze, es war eine Art Wahl. Und die Mutter? Natürlich ist es eine Tragödie, aber andererseits sagt sie: ‚Ich habe sie so erzogen.‘“

Und auf die Frage nach der Motivation der Soldaten, die er erlebt habe, führt Twardoch in dem Gespräch aus:
„Die meisten Soldaten, die ich getroffen habe, sind gegen den Krieg. Sie wollten ihn nicht. Sie kämpfen, weil sie müssen. Es ist nicht ihre Lebensart. Sie müssen diesen Krieg einfach führen, weil sie ein Land zu verteidigen haben. Und die Verteidigung des Landes ist keine abstrakte Idee. Es ist kein abstrakter Patriotismus. Denn sie verteidigen ganz reale und einfache Dinge, wie ihre Heimat. Sie verteidigen ihre Familie. Sie schützen ihre Familie vor Vergewaltigung, Mord und Massengrab. (…) Ich bin mir absolut sicher, dass die Motivation von Soldat zu Soldat unterschiedlich ist. Und die Motivation kann sich mit der Zeit ändern. Denn der erste Impuls könnte die Verteidigung des Landes sein. Dann will man kämpfen, weil man seine Freunde nicht im Stich lassen will. Denn gemeinsamer Kampf schafft eine starke Bindung zwischen Menschen. Und ich denke, diese Art von Bindung ist etwas ganz Besonderes im Krieg. Ich würde sagen, es ist eine brüderliche Bindung zwischen Menschen, die täglich dem Tod ins Auge sehen, der Möglichkeit des Todes. So kämpft man immer weiter, weil man seine Freunde, seine Brüder, seine Kameraden nicht im Stich lassen kann. Es tut mir leid, ich weiß, das klingt alles klischeehaft und vielleicht ein bisschen peinlich oder banal. Aber genau darum geht es.“

Nach der Lektüre dieses Romans wird man künftig bei der täglichen Zeitungs-Lektüre der Kriegsberichte an die Menschen denken, die im Abwehrkampf gegen den Aggressor ihre Köpfe hinhalten und ihr Leben riskieren müssen.

zum Produkt € 24,00*

Für immer
empfohlen von:

Robin Pregizer

Für immer Maja Lunde

gebunden

Nach ihrer höchst erfolgreichen vierbändigen Romanreihe zum Thema Klima, angefangen mit „Die Geschichte der Bienen“, stellt Maja Lunde in ihrem neuen Roman ein Szenario in den Mittelpunkt, das einem Gedankenexperiment gleichkommt: Die biologische Zeit bleibt stehen und alles, was bis dahin an neuem Leben wuchs und alles, was dem Verfall geweiht war, verharrt im Zustand zum Zeitpunkt des Stillstands. Der Alltag der Menschen bleibt davon zunächst scheinbar unberührt. Erst nach und nach zeigt sich, dass es weder Geburten noch Todesfälle gibt, Krankheiten atypisch verlaufen und die Menschen und ihre Lebensinhalte mit dieser Gegebenheit konfrontiert sind. Lunde beschreibt die Veränderung unterschiedlicher Schicksale und spitzt die Lage zu. Über allem
schwebt die Frage, wann und ob Wachstum und Vergänglichkeit wieder einsetzen.
Denn dass das Leben der Menschen damit seine Lebendigkeit verliert, macht „Für
immer“ bald deutlich.

An einem gewöhnlichen Tag Anfang Juni kommt die Zeit zum Stehen. Niemand stirbt, niemand wird mehr geboren. Die neue Ewigkeit verändert das Lebensgefühl der Menschen: Die Rentnerin Margo will ausgelassen das Leben feiern und auf Reisen gehen - doch ihr pflanzenliebender Ehemann Otto möchte seine Balkonblumen nicht alleine lassen. Für die Fotografin Jenny gibt es nichts Schöneres, als die geschenkte Zeit mit ihrer Familie im Sommerhaus zu verbringen. Trotzdem plagt sie das Gefühl, etwas Wichtiges zu verpassen. Und die Krankenschwester Eva erlebt die Sorge der Schwangeren, die nicht wissen, wann ihre Babys zur Welt kommen. Überall im Land rätselt man, warum die Menschen aus dem Lauf der Zeit herausgefallen sind. Ist es ein Virus, ein alter Zauber oder eine Verschwörung böser Mächte? Und warum geht in der Natur der Kreislauf von Werden und Vergehen unvermindert weiter? Feinfühlig und mit viel Wärme schreibt Maja Lunde in ihrem neuen großen Roman über das Leben im Jetzt, die eigene Endlichkeit und über unsere Verbindung zur Natur.

zum Produkt € 24,00*

Für Polina
empfohlen von:

Moritz Mixner

Für Polina Takis Würger

gebunden

Der neue Roman von Takis Würger ist ein gelungener Liebes- und Coming-of-age-Roman. Im Mittelpunkt steht, neben der im Titel genannten Polina, der stille, in sich gekehrte Hannes Prager. Dieser wächst mit seiner alleinerziehenden Mutter mitten im Moor in der Nähe von Hannover in einer verwunschenen Villa auf, die noch von dem alten Hildebrand, einem zunächst unwirsch und abweisend wirkendem Schriftsteller, der sich aber bald von seiner, vor allem den Kindern gegenüber, liebevollen Seite zeigt. Dieser Hildebrand, selbst ein Liebhaber klassischer Klavierkonzerte, ist es auch, der Hannes Pragers Talent zum Klavierspielen entdeckt und ihn fördert. Häufigen Besuch bekommen sie von Polina und ihrer ebenfalls alleinerziehenden Mutter. Polina und Hannes befreunden und verlieben sich im Laufe ihrer Jugend, auch wenn sie gegensätzlicher kaum sein könnten. Polina ist vor allem lebhaft und abenteuerlustig, verbleibt jedoch nicht in dieser Eindimensionalität, ihre grüblerische und verletzliche Seite scheint immer wieder durch. Für den stillen und ruhigen Hannes hingegen erschließt sich der Zugang zur Welt über die Töne und den Klang, das Klavierspiel wird so für ihn zur Möglichkeit seine Empfindungen zum Ausdruck zu bringen.
„Das Klavier war seine Zuflucht und sein Vertrauter geworden, und Hannes hatte begriffen, dass er Menschen, Gefühle und Erinnerungen, ob er wollte oder nicht, in Musik übersetzte, und das Klavier machte seine Musik hörbar.“
So komponiert er sein allererstes Klavierstück für Polina, das all ihre Gefühle, Charakterzüge, Facetten, ihr Inneres und ganz Eigenes, so wie er sie wahrnimmt, transportiert und hörbar macht, und eben dieses Klavierstück wird die beiden viele Jahre später, nachdem sie sich aus den Augen verloren haben und Hannes nach einem Schicksalsschlag aufgehört hat Klavier zu spielen, wieder zueinander führen. Denn Hannes verliert weder seine Liebe zu Polina, noch entfernt er sich gänzlich
vom Klavier, nur anstatt auf diesem zu spielen verlagert er sich auf dessen Transport.
Alles in allem ein in sich stimmiger, gefühlsbetonter Roman über die große Liebe, die Musik und das Erwachsenwerden, der es geschickt vermeidet ins Kitschige abzugleiten.

Als er vierzehn ist, verliebt sich Hannes Prager in das Mädchen Polina. Um ihr seine Liebe zu zeigen, komponiert der wundersam begabte Junge eine Melodie, die Polinas ganzes Sehnen und Wünschen umfasst. Doch sein Leben nimmt eine unvorhergesehene Wendung, Hannes hört auf, Klavier zu spielen und seine und Polinas Wege trennen sich. Nach Jahren, in denen er nichts als Leere fühlt, erkennt Hannes: Er muss Polina wiederfinden. Und das Einzige, womit er sie erreichen kann, ist ihre Melodie.

zum Produkt € 26,00*

Atom
empfohlen von:

Jana Prokop

Atom Steffen Kopetzky

gebunden

Im Mittelpunkt des neuen Romans von Steffen Kopetzky steht Simon Batley, ein britischer Agent des MI6. Bereits in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts war er als Physikstudent rekrutiert worden für eine Mission in Berlin, die eigentliche Handlung setzt aber 1939 ein. Der vergangene Einsatz wird von seinen Vorgesetzten als größter Erfolg des Geheimdienstes erinnert, während er für Simon mit einer privaten Katastrophe endete. Nie wieder wollte er für den Geheimdienst arbeiten und führt ein beschauliches Leben als Physiklehrer in der englischen Provinz, als ihn sein Führungsoffizier Scully Hamilton aufsucht, weil er gebraucht wird. Der zweite Weltkrieg hat begonnen, England hat Deutschland nach dessen Überfall auf Polen den Krieg erklärt und das britische Volk und die Behörden erwarten einen deutschen Angriff, die Kinder werden aus London aufs Land evakuiert und es gibt Anhaltspunkte, dass die Deutschen neue Wunderwaffen entwickeln. 1940, kurz nach der deutschen Besetzung von Dänemark und Norwegen, trifft eine geheimnisvolle verschlüsselte Nachricht des in Kopenhagen lebenden dänischen Atomphysiker Niels Bohr ein….

„Steffen Kopetzkys spannungsvoller Roman erzählt von der Jagd nach der Atomtechnik, der Spur eines Phantoms – und einem Mann, der zwischen Schuld, Liebe und Hoffnung steht.“ (Klappentext)

Ein Agenten- und Spionageroman, an John Le Carré geschult, aber viel mehr als das. Kopetzkys Romane sind sorgfältig recherchierte Reisen in die Vergangenheit, in denen sich historisch reale Figuren und fiktive Charaktere begegnen, und die auch etwas über unsere Gegenwart erzählen. In „Risiko“ (2025) ging es um die Versuche des deutschen Kaiserreichs, im ersten Weltkrieg arabische Akteure zu einem Dschihad gegen Großbritannien zu bewegen, in „Propaganda“ (2019) erzählte Kopetzky von einer der letzten Schlachten des zweiten Weltkriegs im Hürtgenwald in der Eifel und von einem (nicht erfundenen) deutschen Arzt, dem es gelang, mitten in der Schlacht im Hürtgenwald die Wehrmacht und die Amerikaner zu einem kurzen Waffenstillstand zu bewegen, um die Verwundeten beider Seiten bergen und behandeln zu können. Diesem Arzt begegneten wir in „Monschau“ (2021) wieder, als er 1962 eine Pockenepidemie in der Kleinstadt Monschau in der Eifel bekämpfte. Den Hintergrund von „Atom“ bildet der dramatische Wettlauf um die Atombombe und die Verstrickung der Wissenschaft in die Entwicklung zerstörerischer Technologien.

Wer neugierig geworden ist: Am heutigen Donnerstag (03.04.2025) überträgt der RBB auf Radio 3 von 20:00 bis 21:30 live eine Lesung aus „Atom“ und eine Diskussion mit Steffen Kopetzky.

London zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Eigentlich will Simon Batley nie wieder mit dem britischen Geheimdienst zu tun haben. Jahre zuvor, als Physikstudent in Berlin, arbeitete er ihm zu, naiv und undercover. Das führte zu einer Katastrophe, die Batley nie ganz verstand, auch seine große Liebe zu seiner Kommilitonin Hedi von Treyden endete jäh. Doch der Krieg ändert alles. Agent Batley stößt auf die Spur einer neuen Waffe der Deutschen, von nie gekannter Zerstörungskraft. Bald darauf, instruiert von Niels Bohr und Rudolf Heß, reist er als Spion nach Lissabon - und schließlich ins Dritte Reich. Er will den mysteriösen Hans Kammler aufspüren: Der ist als Chefplaner von unterirdischen Forschungsstätten und geheimen Waffenprogrammen einer der mächtigsten Nazis. Während Batley versucht, vor den Sowjets und den USA an die deutsche Technik und an Kammler zu kommen, folgt er auch einer persönlichen Mission: Er will Hedi wiederfinden und endlich klären, was damals in Berlin geschah.

Steffen Kopetzkys spannungsvoller Roman erzählt von der Jagd nach der Atomtechnik, der Spur eines Phantoms - und einem Mann, der zwischen Schuld, Liebe und Hoffnung steht.

zum Produkt € 26,00*