Wir lesen aus Passion. Hier findet ihr die Bücher, die wir besonders gemocht haben, und wir sagen euch auch, warum.
Für alle, die noch einmal eintauchen wollen in den Strudel der Gefühle, das ständige Sehnen, Begehren, aber auch die Zweifel und Leiden der ersten Lieben.
James lebt mit seinen Eltern und seinem kleinen Bruder Eddi Anfang der Nullerjahre in einem Dorf in Nordengland.
Er ist kein Kind mehr, seine Welt wird ihm zu eng.
Um das Schulessen selbst bezahlen zu können, muss er morgens vor der Schule mit einem Freund seines Vaters Milch ausfahren.
Hier trifft er auf Luke. Und es beginnt ein Jahr, das sich einbrennt in James' Leben.
Erinnerungen bleiben als essentielle Empfindungen und Bilder von Augenblicken. Wunderbar sinnlich, niemals kitschig, erzählt Seán Hewitt von tief empfundener Freundschaft und Liebe.
zum Produkt € 25,00*
Morgan Taltys "Sein Name ist Donner" ist entgegen der Bezeichnung weniger ein Roman denn vielmehr eine Sammlung und Anordnung einzelner Geschichten, die nichtsdestotrotz ein ganzes Bild ergeben. Protagonist aller Episoden ist David, der im Penobscot Reservat in Maine lebt.
Geschildert werden sein Aufwachsen und späterer Alltag, zunächst recht typisch von Rauchen mit Freunden und Abhängen im Wald bestimmt, im Hintergrund aber immer auch belastende familiäre Situationen, die das Bild prägen. Bald bringen dann Besuche in der Methadonklinik oder das rechtzeitige Abholen verschreibunsgpflichtiger Medikamente Struktur in den Tag.
Die gewählte Form der Kapitel-als-eigenständige-Erzählungen erlaubt es Talty immer wieder aufs Neue stimmungsvolle und dichte Szenerien zu entwerfen, die miteinander in Zusammenhang stehen, aber auch unabhängig voneinander stimmig sind. Im Wechsel begegnen die Leser:innen dem Kind David, das sich in einer familiären Umbruchsituation zurecht zu finden versucht, und dem jungen Erwachsenen, der noch immer die schwankenden mentalen Gesundheiten und Beziehungen von Familie und Freund:innen zu balancieren sucht.
Talty transportiert seinen Sozialrealismus in einem lakonischen Tonfall des Understatements und kombiniert ihn mit einem allen Charakteren innewohnenden Witz und einer Lebendigkeit.
"The Night of the Living Rez" ist eine traurig-schöne, witzige Lektüre, bedrückend aber nie beklemmend, die zehrende, strukturelle Benachteiligung indigener Communities klar aufzeigend, dabei aber nie die Schönheit und Menschlichkeit der Charaktere jenseits dieser Umstände aus dem Blick verlierend.
zum Produkt € 25,00*
Tarjei Vesaas (1897-1970) erreichte mit seinem Schreiben eine einzigartige Meisterschaft: klar komponierte Geschichten, eine verdichtete, geradezu glühende Sprache, eigenwillige Figuren voller Spannungen, die ihrer inneren Stimme folgen. In .Frühlingsnacht. steht der 14-jährige Hallstein im Mittelpunkt, gerade an der Schwelle zwischen Kindlichkeit und Erwachsenensein, der mit seiner älteren Schwester Sissel über Nacht allein zu Hause bleibt, als die Eltern zu einer Beerdigung in die nahe Ortschaft fahren. Hitze und Feuchtigkeit liegen drückend auf dem Tag, und als die Geschwister sich zum Abendessen setzen, klopft es an der Tür. Eine fremde Familie benötigt nach einer Autopanne Unterkunft, zumal eine junge Frau kurz vor der Entbindung steht. Alle sind in Aufruhr, die Besucher bringen dramatische Konflikte mit, und die Frühlingsnacht wird zu einem Abenteuer, das Ungeklärtes zutage befördert und jeden verändert zurücklässt.
Tarjei Vesaas schafft mit wenigen Strichen eine verzauberte Atmosphäre. Die norwegische Natur um das Haus blüht und wächst, Bäume schlagen aus, Knospen springen auf, und der unaufhaltsame Lebenstrieb sprießt auch in Hallstein und Sissel. Durch Hallsteins Augen nehmen wir das Geschehen wahr, und ohne dass es Erklärungen gäbe, verstehen wir nach der Lektüre mehr von dem, was in und um uns wirkt. Hinrich Schmidt-Henkels Übersetzung gelingt das Wunder, das auch Vesaas' Prosa so magisch macht: Vieles bleibt unausgesprochen, verharrt in Andeutungen, und doch entsteht zwischen den Zeilen ein poetischer Raum, eine eigene Welt, die Trost bietet und die man nicht mehr verlassen möchte.
zum Produkt € 25,00*
Philipp steht kurz vorm Abitur und mäandert so durch sein Leben. "Schneckchen" wird er von seinem besten Freund Lorenz genannt, und das ist vielleicht ein Zufall, sicher aber lebt Philipp innerlich recht zurückgezogen. Sein Leben besteht aus Re-Agieren. Eigentlich nicht mal das, er lässt einfach mit sich geschehen. Sich mit Lorenz zu treffen, zumeist zum Kiffen auf dem Friedhof, ist so ziemlich das Einzige, was an Aktivität von ihm ausgeht.
Es geht ihm nicht schlecht, sein Vater ist anerkannter und wohlhabender Chirurg, seine junge Stiefmutter begegnet ihm auf Augenhöhe. Die Pathetik der Situation ist ihm sehr wohl bewusst: "Hier saß er herum in seinem Oberschicht-Zimmer und konnte sich nicht überwinden, sich ein paar dumme Formeln in den Kopf zu hämmern."
Nach und nach aber kommt zum Vorschein, dass Philipps Passivität auch ein Schutz zu sein scheint, der mit seiner impulsiven, an einer bipolaren Störung erkrankten Mutter zusammenhängt. Nach mehrjähriger Funkstille ist sie plötzlich wieder präsent und bringt ein paar Dinge in Bewegung.
Annika Büsings Roman ist ein wunderschönes Leseerlebnis. Ihr Tonfall und Humor sind lebendig und unvermittelt, die Charaktere so liebevoll und komplex gestaltet, dass das Ganze zuweilen fast übernatürlich erscheint in Großherzigkeit und Witz.
"Wir kommen zurecht" ist jenseits der Familiengeschichte und des Coming-of-Age vor allem eine Geschichte über Freundschaft und eine Erzählung davon, manche Menschen so zu akzeptieren, wie sie sind. Auch, weil sie vielleicht grade keine bessere Version ihrer selbst sein können.
Ob Philipp nun am Ende aus dem Häuschen gekrochen kommt bleibt, für mein Verständnis, ein bisschen ungeklärt, ist aber auch egal - es kommen alle irgendwie zurecht.
zum Produkt € 24,00*
HEN NA E - Seltsame Bilder von Uketsu, erschienen bei Bastei/Lübbe und übersetzt von Heike Patzschke.
Ein rätselhafter Blogeintrag mit Zeichnungen, eine Kinderzeichnung von einem seltsamen Haus, die Skizzen eines Zeichenlehrers, der unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen ist: Hängen alle diese Bilder zusammen? Zwei Journalisten kommen dem Geheimnis auf die Spur...
Uketsus Schreibstil ist distanziert und erinnert eher an einen analytischen Aufsatz, was die Spannung jedoch auf subtile Weise verstärkt.
Im Wechsel zwischen den verschiedenen Lebensgeschichten lässt Uketsu den Lesenden in menschliche Abgründe eintauchen, die oft im Kontrast zu den scheinbar einfachen Leben der Protagonisten stehen. Uketsu spielt mit den Erzählperspektiven und zeigt, wie sehr der erste Eindruck täuschen kann.
Diese Kombination ergibt einen absolut empfehlenswerten, fesselnden und ungewöhnlichen Krimi.
zum Produkt € 24,00*
In Dantessa herrschen die Spiele. Aber nicht nur in Form regelmäßiger oder anlassbezogener Ereignisse, sondern permanent. Alle Einwohner:innen des Stadtstaats müssen ununterbrochen spielen um Punkte zu gewinnen und so einen Rang auf der gesamtgesellschaftlichen Skala zu (er)halten. Wessen Rang auf Null fällt, der:die wird auf die Gesindeinseln verbannt.
Und Spiele gibt es jeder Art und Intensität: von simpel bis risikoreich, gespielt nebenbei auf der Straße oder in casinoähnlichen Spielpalästen. Zusätzlich findet einmal im Jahr ein spektakelartiges Ereignis des Spiels Noctis statt, im Rahmen dessen 4 Teams bestehend aus je 5 jungen Menschen gegeneinander antreten. Sie treten aber auch gegen die Todesfee an, die - so sagt man - auf Rache und Seelen sinnt, nachdem sie dereinst von der Prinzessin von Dantessa im großen Noctis besiegt worden war. Die Todesfee soll es sein, die die Spiele am Laufen und Dantessa unter ihrer Kontrolle hält.
Protagonistin der Geschichte ist Pia, die sich in einem zusammengewürfelten Team aus freiwillig und unfreiwillig Ausgestoßenen und Herkunftslosen in der Endrunde von Noctis wiederfindet. Im Gewinnen sieht sie die einzige Chance ihren auf die Inseln verbannten Großvater zu retten. Doch noch nie hat ein Team aus dem armen Viertel der Stadt Noctis gewinnen können.
"Game of Noctis" ist eine sehr intelligente Geschichte über eine Gesellschaftsform, die verspricht, dass jede:r Mensch, jedes Team im Großen Spiel es schaffen kann, spielt man nur fair und trainiert hart.
Deva Fagan vermeidet in der Konstruktion der Geschichte und der Figuren simple gut/böse Dichotomien. Zwar zeigt sie unmissverständlich, wie gewisse Kreise und Schichten der Gesellschaft von den Spielen profitieren, doch wird deutlich, dass es das fehlende Hinterfragen des gesamten Narrativs ist, dass den Status Quo erhält.
Die Spielszenen sind zuweilen etwas unübersichtlich und im Verhältnis zur Detailfülle der gesamten Geschichte eher hastig abgearbeitet. Schlussendlich aber kommt das nur der Entwicklung und Interaktion der Charaktere in den weniger actiongeladenen Szenen zugute. "Game of Noctis" ist eine große Leseempfehlung, insbesondere für Leute ab 10 Jahren. Eine Geschichte, die einlädt, ab und zu mal zu fragen, ob alles wirklich so sein muss, wie es ist, und die zudem daran erinnert, dass Spiele dafür da sind "Hoffnung und Freude zu schenken, sich lebendig zu fühlen".
zum Produkt € 15,00*
Oliver Lovrenski erzählt in seinem Debüt von vier norwegischen Jugendlichen und wie sie zu jungen Erwachsenen werden, indem sie durch Tage voller Drogenkonsum und -handel, Straßen- und Familiengewalt taumeln. Vorab ist klar: Es gelingt wohl nicht allen vieren das besagte Alter zu erreichen.
Es sind kurze, aneinandergereite Szenen - die meisten nicht länger als eine halbe Seite - die im unsteten Wechsel Alltagsausschnitte der Jungen beschreiben und Introspektion des Erzählers Ivor abbilden. Das alles ist ein nur durch Kommata und die Kapitelumbrüche strukturierter Strom, der mit einer eindringlichen Melodik durch die Szenen trägt; eine eigene Sprache zudem, mit Versatzstücken aller communities, aus denen die Jungs kommen.
Was deutschsprachige Leser:innen hier vor die Augen kriegen, ist die Übersetzung von Karoline Hippe. Keine Ahnung, was genau Lovrenski im Original geschrieben hat, aber das hier liest sich großartig!
Es ist erstaunlich, wie gut es Lovrenski gelingt, eine von außen betrachtet nicht unbekannte Geschichte derart ergreifend zu erzählen. Die Thematik der verlorenen und abgehängten Jugend, die trotz aller ausgelebten Gewalt, eigentlich auch nur die Liebe zu den Freunden und die Sehnsucht nach Stabilität in sich trägt, erfährt hier durch die ungewöhnliche Form und die kunstvolle Erzählweise eine ganz neue Schattierung.
Die vier Jungs sind kaum Identifikationsfiguren und nur bedingte Sympathieträger und dies ist eine gewaltvolle Geschichte. Worum es hier aber neben dem Sozialrealismus geht, sind die geknüften Bande und die bedingungslose Sorge der Jungen für- und umeinander. Sie gehen in ihrer Existenzialität und Kraft über so manches hinaus, was ich in letzter Zeit gelesen habe.
zum Produkt € 22,00*
Eva Herbergen ist Strafverteidigerin. Ihre Aufgabe ist es, Menschen vor Strafe zu bewahren: die berühmte Schriftstellerin, den gebrechlichen Millionär, die überforderte Stiefmutter. Sie weiß, es braucht nicht viel, dass ein dunkler Moment genügt, der die Wendung markiert - zum Opfer oder zum Täter- und mit jedem Fall, in dem die Grenze zwischen Gerechtigkeit und Recht verschwimmt, lösen sich ihre Gewissheiten auf. Bis sie sich fragt, welche Konsequenzen sie ziehen muss.
Die Gedanken und Reflexionen, die sowohl Eva als auch die Nebenfiguren anstellen, sind sehr eindringlich. Sie zwingen uns dazu, unsere festen Meinungen zu hinterfragen und die Komplexität menschlichen Handelns zu erkennen. Man möchte nicht hinsehen, kann aber auch nicht wegsehen – diese innere Zerrissenheit bleibt haften und die tiefgreifenden Auseinandersetzungen mit Moral und Gerechtigkeit hinterlassen einen bleibenden Eindruck. „Dunkle Momente“ ist ein Buch, das man gelesen haben sollte – berührend und zutiefst menschlich. Absolut empfehlenswert!!
zum Produkt € 22,00*
Kriminalpsychologe Simon Dorn lebt nach persönlichen Schicksalsschlägen zurückgezogen im mysteriösen Hotel Dornwald. Dort verwandelt jeden Raum in eine Crime-Studie.
Becks anschauliche Beschreibungen des Hotels und der Charaktere lassen die düstere Atmosphäre lebendig werden. Der Autor versteht es meisterhaft, mit wenigen Worten eine eindringliche Spannung aufzubauen. Ein packendes Leseerlebnis, das die Psyche erkundet und bis zur letzten Seite fesselt!
zum Produkt € 16,00*
"Meine Mutter hinterließ kein Testament, weil es nichts zu vererben gab. Sie hatte kein Sparbuch, keine Wertpapiere, keine Immobilie. "
DIDIER ERIBON: EINE ARBEITERIN. LEBEN, ALTER UND STERBEN.
Seit "Rückkehr nach Reims" (dt. 2016) hat der französische Soziologe und Philosoph Didier Eribon auch in Deutschland einen Namen, der fast immer fällt, wenn es um Klassismus geht.
Im vergangenen Jahr ist ein weiterer autobiographischer Essay erschienen.
Eribons Mutter, geprägt von einem Leben als Fabrikarbeiterin, ist alt und hilfebedürftig geworden. Sie muss in ein Pflegeheim ziehen, ein letzter und unfreiwilliger Umzug, sie wird herausgerissen aus allem, was ihr vertraut war und Sicherheit gegeben hat.
Dies wird zum Ausgangspunkt für Eribons schonungslose Analyse von Alter und Sterben.
Was bleibt vom Ich, wenn Gebrechlichkeit keine Autonomie mehr zulässt, das Leben leer wird und keine Zukunft mehr möglich ist?
Wenn man abhängig wird von einem entwürdigenden Pflegesystem?
Wer gibt den unsichtbar gewordenen und unsichtbar gemachten Alten eine Stimme?
Ein augenöffnender, beeindruckender, absolut lesenswerter Essay für alle, die den Mut haben, sich mit existentiellen Fragen von Leben, Alter und Sterben auseinanderzusetzen.
zum Produkt € 15,00*