Unsere Empfehlungen

Die Buchhändlerin empfiehlt im Mai 2024

empfohlen von:

Elvira Hanemann

Elvira Hanemann

Blue Skies T. C. Boyle

gebunden

T.C. Boyle, Blue Skies
Übersetzt von Dirk van Gunsteren
Hanser Verlag 28 €

T.C. Boyle hat sich bereits in vielen seiner Romane und Shortstories mit Umweltthemen beschäftigt, doch das gerade erschienene „Blue Skies“ kommt mir vor wie d e r Roman der Stunde.

Boyle erzählt vor dem Hintergrund der Problematik Klimawandel und Artensterben eine Familiengeschichte, die es in sich hat.

Während die Eltern in ihrem Haus in Kalifornien sich durch das Züchten von Heuschrecken als Proteinquelle auf die Klimaveränderung einstellen, erforscht ihr Sohn Cooper Insekten. Tochter Cat lebt in Florida und kauft aus einer Laune heraus eine Tigerpython als Haustier.

Alle aus der Familie lieben Tiere und Natur. Doch die schlägt zurück: Cooper wird von einer Zecke gebissen, er stirbt fast daran. Cats Schlange stellt sich leider als ein doch sehr unsoziales Haustier dar, die Folgen des Kaufes katapultieren sie und ihre Familie in einen Alptraum.
In Kalifornien wird es immer heißer und trockener, viele Menschen sterben an Hitzschlägen – in Florida hingegen steigt der Meeresspiegel, es regnet andauernd und was davon schlimmer ist, mag man sich aussuchen.

Beim Lesen des Romans kam mir das Wort „Klimaanpassung“ in den Kopf, denn auch wenn die Lebensumstände immer unerträglicher werden, passen sich die Menschen - nun ja, die die noch dazu imstand sind - den neuen Gegebenheiten an und Prioritäten verschieben sich.
Bewundernswert finde ich an dem Roman den großartigen Humor, der obwohl viel Schlimmes passiert - das meiste davon leider absolut realistisch – mit viel Situationskomik überzeugt. Über manche Absurdität kann man laut lachen, auch wenn das Lachen dann schnell wieder vergeht.

Höchst unterhaltsam schreibt der Autor hier über eine Zukunft, die schneller kommen kann, als wir es wünschen. Doch ja, es gibt eine kleine Hoffnung am Ende. Zumindest im Roman…

zum Produkt € 28,00*

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Elvira Hanemann

Elvira Hanemann

Unser Deutschlandmärchen Dinçer Güçyeter

gebunden

Dinçer Güçyeter wurde 1979 in Nettetal als Sohn türkischer Gastarbeiter geboren. Nach der Mittleren Reife machte er eine Lehre als Werkzeugmechaniker. Immer noch als Gabelstapelfahrer tätig arbeitet er mittlerweile aber auch als Theatermacher, Lyriker, Herausgeber und Verleger.

Nachdem er letztes Jahr den Peter-Huchel-Lyrikpreis erhielt, hat er nun mit seinem „Deutschlandmärchen“ auch den Preis der Leipziger Buchmesse 2023 gewonnen. Ich hatte vorher noch nie von ihm gehört, freue mich aber nun sehr, dass ich durch die Preisverleihung auf dieses sehr lesenswerte Buch aufmerksam gemacht wurde.

Ich kann alle verstehen – mir geht es selbst manchmal so – bei denen durch die durch die Flut an autofiktionalen Romanen eine gewisse Ermüdung gegenüber autobiografischen Lebensgeschichten entstanden ist. So banal diese Aussage sein mag, so stimmt dennoch: es kommt darauf an, wie sie geschrieben sind. Und diese hier ist ganz ausgezeichnet geschrieben!

Selten habe ich eine so ungewöhnliche Mixtur aus persönlichen Erinnerungen, poetischer Sprache, Mitgefühl mit den Frauen der Gastarbeiterfamilien und einer harten Beschreibung der Macho-Lebenswelt von Arbeitern gelesen.

Güçyeter bringt neben seiner eigenen viele andere Perspektiven in diesen Familienroman mit ein. Gerade dadurch wird das Buch sehr lebhaft und intensiv. Doch natürlich ist es nicht nur die Sprache, die an diesem Buch fesselt, sondern der Inhalt: viel zu selten haben wir sonst die Gelegenheit aus der Innenansicht von Menschen, die als Arbeitskräfte, und nur als Arbeitskräfte, nach Deutschland gerufen wurden, zu lesen. Wie war das besonders für die Frauen und Mütter, wie für die Kinder wie Dinçer eines war?

„Unser Deutschlandmärchen“ ist eines dieser Bücher, über deren Erfolg ich mich aufrichtig freue und dem ich viele Leser:innen wünsche!

zum Produkt € 25,00*

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Elvira Hanemann

Elvira Hanemann

Victory City Salman Rushdie

gebunden


Der neue große Roman über Liebe, Macht und die Kraft des Erzählens von Booker-Preisträger Salman Rushdie


Südindien im 14. Jahrhundert: Die neunjährige Waise Pampa Kampana wird von einer Göttin auserkoren, ihre menschliche Hülle und ihr Sprachrohr in die Welt zu sein. In ihrem Namen erschafft Pampa aus einer Handvoll Samen eine Stadt: Bisnaga - Victory City, das Wunder der Welt. All ihr Handeln beruht auf der großen Aufgabe, die ihr die Göttin gestellt hat: den Frauen in einer patriarchalen Welt eine gleichberechtigte Rolle zu geben. Aber die Schöpfungsgeschichte Bisnagas nimmt mehr und mehr ihren eigenen Lauf. Während die Jahre vergehen, Herrscher kommen und gehen, Schlachten gewonnen und verloren werden und sich Loyalitäten verschieben, ist das Leben von Pampa Kampana untrennbar mit dieser Stadt verbunden. Von seinem Aufstieg zu einem Weltreich bis zu seinem tragischen Fall.



Mit »Victory City« kehrt der große Erzähler Salman Rushdie nach Indien zurück, mit einem modernen epischen Roman über Macht, Liebe und darüber, was es bedeutet, ein Mensch zu sein.



Salman Rushdie erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2023 »für seine Unbeugsamkeit, seine Lebensbejahung und dafür, dass er mit seiner Erzählfreude die Welt bereichert.« (Aus der Begründung der Jury)

zum Produkt € 26,00*

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Elvira Hanemann

Elvira Hanemann

Der Keim Tarjei Vesaas

gebunden

Tarjei Vesaas, Der Keim
Guggolz Verlag

Übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel
Nachwort von Michael Kumpfmüller

Vesaas (1897 -1970) ist einer der wichtigsten norwegischen Schriftsteller. Mehrmals wurde er als Kandidat für den Literaturnobelpreis genannt. Es ist ein großes Glück, dass der Guggolz Verlag diesen Autor dem Vergessen entrissen hat – und für die deutsche Leserschaft nun in der hervorragenden Übersetzung von Hinrich Schmidt-Henkel bereits der dritte Roman zugänglich gemacht wurde.

„Der Keim“ ist bereits 1940 erschienen, „Die Vögel“ und „Das Eisschloss“ (beides hervorragende Bücher!) kamen später heraus.

Der Roman spielt auf einer kleinen Insel, deren Bewohner Bauern sind. Eines Tages legt ein Fremder mit einem Schiff an. Ein Mann, der die wenigen Menschen, die ihm begegnen fasziniert. Doch Andreas ist ein Verlorener, ein Wahnsinniger, der nicht weiß was er auf der Insel will, er fühlt sich gerufen. Als er auf Inga, die Tochter des größten Bauern trifft, tötet er sie. Was daraufhin folgt ist eine Hetzjagd quer über die Insel, die Dorfbewohner verfallen einem regelrechten Blutrausch, der mit dem Tod des Mörders endet.

Doch wie kann nach einer solchen Tat das Leben weiter gehen? Wie umgehen mit der Schuld, Selbstjustiz begangen zu haben? Die Suche nach einem Sündenbock ist schnell erledigt: Rolv, Ingas Bruder ist derjenige, der alle anderen angestiftet haben soll. Doch eigentlich waren es (fast) alle die sich beteiligten.

In einer unnachahmlichen Weise lässt Vesaas uns die inneren Abgründe, Hoffnungen, Ängste und Schamgefühle der verschiedenen Inselbewohner mit erleben. Durch eindrucksvolle Schilderungen von Tieren und deren Verhalten verstärkt sich die starke Atmosphäre eines unglaublichen Ausnahmezustands.

Schuld und Sühne – das könnte als Überschrift stehen. Ein unglaublich kraftvolles und aufrüttelndes Buch in einer klaren Sprache.
Großartig!

zum Produkt € 24,00*

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Elvira Hanemann

Elvira Hanemann

Männer sterben bei uns nicht Annika Reich

gebunden

Annika Reich, Männer sterben bei uns nicht

Hanser Verlag 23 €

Die Schriftstellerein Annika Reich, 1973 in München geboren, in Berlin lebend, ist mir als Künstlerische Leiterin des politisch-kulturellen Flüchtlingsprojekts „WIR MACHEN DAS“ in guter Erinnerung. Warum „Männer sterben bei uns nicht“ trotzdem das erste Buch ist, das ich von ihr lese, ist mir rätselhaft. Sicher wird es nicht das letzte sein.

Sie erzählt hier eine Familiengeschichte aus der Sicht Luises, die mit 30 Jahren durch den Tod der Großmutter zur Erbin eines schönen Anwesens mit fünf Häusern wird. Diese Großmutter hatte Zeit ihres Lebens alles zusammengehalten, aber auch alle auf Abstand. Luise litt darunter, dass sie als Kind kurz hintereinander zwei Frauenleichen an dem ans Grundstück grenzenden See gefunden hatte, noch mehr aber litt sie unter dem Verschwinden ihrer über alles geliebten Schwester Leni.
Dass Leni nicht einfach „verschwunden“, sondern von der herrischen und immer auf den Schein achtenden Großmutter aufs Internat geschickt wurde, erfährt man erst nach und nach.

Die Verwundungen in dieser Familie voller Frauen - Schwestern, Müttern, Großmüttern, Tanten und auch der Haushälterin – legt Annika Reich in einer klaren, gut zu lesenden, aber literarischen Sprache offen. Die eine flieht in den Alkohol, die andere sammelt wertvolle Gegenstände, wieder eine andere verdrängt alle Probleme und nimmt nichts wahr – alle möchten eigentlich eine Beziehung zu den anderen haben, doch Vereinzelung, Neid und Trauer vereiteln das.

Obwohl die Männer in dem Roman kaum eine Rolle spielen, ist es dennoch auch ein Buch über das Patriarchats und über den Einfluss, den dieses auf die Frauen hat.

Ein hintergründiges Buch über Beziehungen, über den Einfluss der Vergangenheit auf die Gegenwart und über starke und weniger starke Frauen.

zum Produkt € 23,00*

empfohlen von:

Elvira Hanemann

Elvira Hanemann

Stabat mater Tiziano Scarpa

gebunden

Tiziano Scarpa - “Stabat Mater”
übersetzt von Olaf Matthias Roth

Wagenbach Verlag, 22 €


Ich freue mich sehr, dass der Wagenbach Verlag dieses Buch in einer Neuauflage - diesmal in der schönen roten Salto Reihe - veröffentlicht hat. Ich hatte es bereits 2009, nachdem es mit dem Premio Strega, dem höchsten Italienischen Literaturpreis, ausgezeichnet wurde, gelesen. Aber auch beim zweiten Lesen weiß dieses Buch zu überzeugen.

Der nur 144 Seiten kurze Roman ist konsequent aus der Sicht Cecilias, eines 15-jährigen Mädchens geschrieben. Cecilia wächst in einem Waisenhaus in Venedig auf, sie kennt weder ihre Mutter noch irgendetwas außerhalb des Waisenhauses.

Fast jede Nacht schleicht sie sich in ein abgelegenes Treppenhaus und schreibt dort Briefe an ihre unbekannte Mutter. Immer wieder gesellt sich “der Tod“ in Form einer Frau mit Schlangenhaar zu ihr. Der Roman besteht im Wesentlichen aus diesen Briefen an die Mutter und aus seltsam tröstlichen Gesprächen mit dem Tod. Zumindest so lange bis ein dritter Gesprächspartner hinzukommt: der neue Musiklehrerin Antonio Vivaldi. Dieser erkennt Cecilias große musikalische Begabung und fördert sie. Allerdings zu einem hohen Preis.

Vivaldi hatte tatsächlich an diesem Waisenhaus gelehrt, der Rest des Romans ist fiktiv. Was mich so sehr beeindruckte, ist vor allem die Intensität und Drastik, mit der Cecilias Einsamkeit in Worte gefasst wurde. Aber auch den großen Stellenwert von Musik habe ich selten in so ungewöhnlicher Form vermittelt bekommen. Das ist ein starkes und dramatisches Buch, dem es auf wenigen Seiten gelingt, zu fesseln. Und eines, das dazu verführt, sofort die Musik von Vivaldi auflegen zu wollen.

Wer allerdings eine Art Romanbiografie Vivaldis erwartet, wird enttäuscht, denn der Fokus liegt eindeutig auf diesem einsamen und eigenartigen Mädchen auf der Suche nach sich selbst.

zum Produkt € 22,00*

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Elvira Hanemann

Elvira Hanemann

Ich steh hier und bügle Tillie Olsen

gebunden

Tillie Olsen, Ich steh hier und bügle

Übersetzt von Adelheid und Jürgen Dormagen
Aufbau Verlag 20 €

Tillie Olsen, geboren in den USA als Tochter jüdischer Einwanderer aus Russland 1912, hatte als vierfache Mutter, die sich aber auch als Aktivistin für Frauenrechte und in der Kommunistischen Partei engagierte, nicht viel Zeit zum Schreiben. So wundert es nicht, dass ihr Werk ein sehr schmales ist. Dennoch erhielt sie viele Stipendien und Ehrungen und hielt als Gastprofessorin Vorträge an renommierten amerikanischen Universitäten.

Es ist dem Aufbau Verlag zu danken, dass diese – sicher nicht nur für mich – unbekannte Autorin nun in einer neuen und sehr guten Übersetzung aus dem Dornröschenschlaf erweckt wurde.

Es ist erstaunlich, wie viel Inhalt, wie viel Gefühl, wie viel Atmosphäre in diesen vier kurzen Texten transportiert werden. Das sollte eigentlich alle, die Vorurteile gegenüber Kurzgeschichten haben, überzeugen. Egal ob es um die schwierige Freundschaft zwischen einer schwarzen und weißen Familie geht, um Mutter-Tochter – Beziehungen oder um ein altes Ehepaar, das sich am Ende seines Lebens trennen möchte, als Leserin wünschte ich mir noch viel mehr davon.

Auch wenn diese Stories absolut charakterbezogen sind und sehr individuelle Geschichten erzählen, so handeln sie doch auch von darüber hinausweisenden sozialen Problemen wie Armut, Rassismus und der Stellung der Frau in der Gesellschaft. Bewundernswert wie diese Verknüpfung so lebendig und scheinbar leicht gelingt in dieser präzisen und verdichteten Sprache.

Unbedingt lesenswert ist auch das Nachwort des Übersetzers.

Ich freue mich sehr über diese literarische Entdeckung und hoffe, Sie neugierig auf Tillie Olsen gemacht zu haben!

Elvira Hanemann

zum Produkt € 20,00*

empfohlen von:

Elvira Hanemann

Elvira Hanemann

Jeder Aufbruch ist ein kleiner Tod Ivana Sajko

gebunden

Ivana Sajko, geboren 1975 in Zagreb ist Schriftstellerin und Theaterregisseurin. Sie erhielt zahlreiche Preise, etwa 2018 den Internationalen Literaturpreis des Hauses der Kulturen der Welt, ebenso wie ihre Übersetzerin Alida Bremer.

Ein Mann steigt in einen Zug ein, der ihn von Kroatien nach Berlin bringen wird. Wer ist dieser Mann?

Er ist ein Schriftsteller, der nichts schreibt, er ist ein Ehemann, dem die Liebe abhandengekommen ist, er ist ein Mensch dessen Vergangenheit sich immer wieder in seine Gedanken drängt, ein Mann, der in diesem Aufbruch die letzte Möglichkeit sieht, wieder ein Leben zu führen.
Ganz persönliche Erinnerungen an den Alkoholiker-Vater, an die Mutter, die ihre Kinder verließ, um in Deutschland Geld zu verdienen, an den Bruder, der einen gefährlichen Lebensweg einschlug und an seine Frau, von der er sich – oder sie sich von ihm – gerade getrennt hat, werden eng verflochten mit europäischer Geschichte.

Das Hauptaugenmerk liegt auf der inneren Verfasstheit des Schriftstellers mit seinem Notizblock, der sich nicht füllen mag – aber wie nebenbei streift Sajko auch Themen wie Krieg, Fremde, Flucht. Die Geschichte der scheiternden Liebe beeindruckt ebenso sehr wie die Erinnerungen an die Kindheit.

Wie oft kommt es vor, dass ich ein Buch zur Hand nehme und schon nach wenigen Seiten denke „Wow, was für eine Sprache!! – und dass dieses Staunen, diese Bewunderung bis zum Ende nicht nur anhält, sondern sich noch steigert? Das kommt nicht oft vor, aber Ivana Sajko ist das absolut gelungen!

Bitter und intensiv, poetisch und wuchtig zieht einen dieser Roman unwiderstehlich in seinen Bann und hinterlässt uns tief berührt und nahezu sprachlos. Das Buch hat zwar nur 152 Seiten, doch jede davon ist meisterhaft.

zum Produkt € 22,00*

empfohlen von:

Elvira Hanemann

Elvira Hanemann

Mit dir bis ans andere Ende der Welt Mary Beth Keane

gebunden

Mary Beth Keane
Mit dir bis ans andere Ende der Welt

übersetzt von Heike Reissig
Eisele Verlag, 24 €

Mary Beth Keane, New Yorkerin irischer Abstammung, veröffentlichte nach einem Studium der Englischen Literatur bereits mehrere Romane. Nach dem großen Erfolg ihres dritten Buches „Wenn du mich heute wieder fragen würdest“ ist nun auch ihr Debüt von 2009 auf Deutsch erschienen.

Die Geschichte beginnt in Irland in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts. Greta, jüngstes von sechs Geschwistern, wächst in tiefer Armut auf. Der Vater ernährt die Familie durch illegalen Lachsfang, doch das geht nicht lange gut. Immer mehr Menschen aus dem Dorf verlassen Irland und auch Greta verschlägt es, ausgelöst durch eine Tragödie, nach Amerika.

Während Greta starke Probleme damit hat, Abschied von ihrer Heimat zu nehmen, stürzt sich ihre Schwester Johanna in das Abenteuer: Sie will mehr vom Leben! Die Reise der beiden nach New York, die sie gemeinsam mit dem jungen, aus einer fahrenden Kesselflicker-Familie stammenden Michael unternehmen, wird ihrer aller Leben auf den Kopf stellen.

Das Beziehungsgeflecht dieser drei Menschen wird auf eine Weise erzählt, die uns Lesende tief in diese Geschichte eintauchen lässt. Keane versteht es ausgezeichnet, das Leben dieser Menschen plastisch vor unserem inneren Auge entstehen zu lassen. Dabei gelingt ihr das Kunststück, sowohl literarisch anspruchsvoll wie auch sehr gut lesbar zu schreiben. Die intensive Darstellung der Charaktere fesselt und berührt.

Dieser Familienroman erzählt eine Geschichte über das schwierige Ankommen in einer völlig anderen Welt und ist gleichzeitig ein großer Liebesroman. Ich war stellenweise zu Tränen gerührt – gerade deshalb bewundere ich die Schriftstellerin dafür, dass ihr das ohne jeglichen Kitsch gelungen ist. Kitschig ist nur der deutsche Titel, aber nicht das Buch. Der Originaltitel, “The Walking People“, trifft es da besser.

Keine Schmonzette, sondern richtig gute Literatur!

zum Produkt € 24,00*

empfohlen von:

Elvira Hanemann

Elvira Hanemann

Wie die einarmige Schwester das Haus fegt Cherie Jones

gebunden

Die Buchhändlerin empfiehlt im Oktober 2022

Cherie Jones
Wie die einarmige Schwester das Haus fegt

Übersetzt von Karen Gerwig
Culturbooks 25 €

Cherie Jones, Anwältin und Schriftstellerin, ist eine Schwarze Frau aus Barbados. Sie gewann schon mehrere Preise für ihre Kurzgeschichten, dieses ist ihr erster Roman. Sie gelangte damit auf die Shortlist des „Women’s Prize for Fiction“ und auf die Krimibestenliste von Deutschlandfunk Kultur.

Man kann dieses Buch als Krimi lesen, denn es beginnt mit dem Mord an einem Strandhausbesitzer und die Folgen dieses Mordes ziehen sich durch den ganzen Roman. Dennoch habe ich das nicht nur als einen spannenden Kriminalroman gelesen, sondern viel mehr als Gesellschaftsdrama.

Die Legende um die einarmige Schwester soll eigentlich Mädchen davon abhalten, ihren Müttern zu widersprechen. Doch Lala sieht das anders, sie will frei sein.

Diese Freiheit sieht dann leider so aus, dass sie früh schwanger wird und Adan, einen Drogendealer heiratet. Die Beziehung der beiden ist geprägt durch Gewalt und Unterdrückung. Sehr bald, da verrate ich nicht zu viel, weiß man auch, dass Adan der Mörder ist.

Die Geschichte wird aus unterschiedlichsten Blickwinkeln erzählt, von Lala, Adans Freund, Lalas Großmutter, vom Polizisten und der Witwe des Ermordeten.
Was Armut aus Menschen machen kann, wie wichtig Geld ist – wenn man keines hat – ist nur eine der Erkenntnisse, die der Roman auf eindringliche Weise verdeutlicht. Die krassen Gegensätze zwischen dem Inselparadies für die Reichen und den Menschen, die in Hütten leben, ihre – auch sexuellen - Dienste den Touristen verkaufen, bilden den Hintergrund für den Text. Im Fokus steht aber das Leben der Frauen, ihre Abhängigkeit von Männern und ihr Kampf um ein eigenständiges Leben.

Gerne schließe ich mich dem Urteil des „Guardian“ an: „Ein aufsehenerregendes Werk“

Ich wünsche diesem in einem kleinen Verlag erschienenen Buch ein großes Publikum!

zum Produkt € 25,00*

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