Lesenswert
Der (Kriminal)roman spielt in Berlin im Jahr 1932 und ist angelehnt an einen wahren Fall aus dieser Zeit. Der Autor nimmt einen Cold Case, den er im Landesarchiv entdeckt hat, zur Grundlage und füllt die spannende Geschichte des Verschwindens des Dr. Mühe mit Leben. Dabei tauchen alle Figuren auf, die auch in dem tatsächlichen Fall eine Rolle gespielt haben.
Dr. Mühe ist ein angesehener Arzt, der aufgrund einer gut laufenden Praxis in gut situierten Verhältnissen lebt. Seine Frau träumt von einer Gesangskarriere und hat vermutlich einen "Klüngel" mit ihrem Gesangslehrer. Doch dann verschwindet Dr. Mühe und trotz aller Bemühungen findet sich in der damaligen Zeit keine Lösung für diesen Fall - bis heute ist er ungeklärt! Nur sein Auto wird aufgefunden, von ihm wird für alle Zeit jede weitere Spur fehlen.
Ich finde es ungemein spannend, in diese Zeit einzutauchen, die Arbeit des Kommissars zu verfolgen. Man findet sich in der Zeit der auslaufenden Weimarer Republik wieder, die Herrschaft der Nazis beginnt und wirft ihre Schatten auf das Leben der Menschen.
Wie der Autor eine Lösung für diesen - eigentlich ungelösten - Fall anbietet, das ist großes Kino für Leseratten!
Empfehlung von Gertraud Liebig.
zum Produkt € 12,00*
Ilmarsh, eine Kleinstadt an der Ostküste im nördlichen England. Ein Ort im Niedergang nach dem Ende von Tourismus, Fischerei und Ölindustrie. Ringsherum weites Marschland mit aufgegebenen und herunter gekommenen Farmen. Wer kann, zieht weg. Wenn ein Ort depressiv sein kann, hier würde man fündig. Wie das Land, so düster seine Bewohner, die der Autor Schritt für Schritt einführt. Kaum jemand, dem nicht ein Schatten oder etwas Trostloses anhängt. Davon ausgenommen sind auch nicht der Inspektor und die Tierärztin bzw. Forensikerin, die einen ebenso merkwürdigen wie grausamen Fall von Tierschändung aufklären müssen. Auf einem Acker werden sechzehn Pferdeköpfe gefunden, eingebuddelt im Kreis, ein Auge jeweils schaut in den regennassen Novemberhimmel. Die Schweife liegen daneben auf einem Haufen. In sehr kurzen Kapiteln, z.T. in Rückblicken und parallelen Strängen, entwickelt der Autor den Fall. Kaum ein Kapitel, in dem nicht dunkle und vage Andeutungen einerseits unbedingt zum Weiterlesen anreizen, andererseits den Leser stets auf Augenhöhe mit den beiden Ermittlern lassen, d.h. ratlos. „Nichts passt zusammen“, sagte Cooper und wandte sich dem Meer zu. „Jeder, der uns helfen könnte, ist tot oder lügt oder hat sich aus dem Staub gemacht. Dieser Fall ist vertrackt.“ Zu diesem Zeitpunkt ermitteln der Inspektor und die Forensikerin nur noch halboffiziell. Die vorgesetzte Behörde verfolgt den Fall ohne rechtes Interesse, obwohl sich das Bedrohungsszenario noch einmal ausweitet, weil der oder die Täter Milzbrandbakterien einsetzen, die diesmal menschliche Todesopfer fordern. Das passt aber durchaus zur Anlage der gesamten Geschichte, die ihre Spannung weniger aus der Darstellung solider kriminalistischer Ermittlungsarbeit als aus der Entwicklung zwar nicht alltäglicher, aber durchaus glaubwürdig wirkender komplizierter und dunkler psychologischer Verstrickungen zieht. Trotz einiger kleiner Ungereimtheiten und teils offen bleibender Erzählstränge bleibt der Spannungsbogen bis zum Schluss erhalten. Die Auflösung selbst allerdings wirkt gemessen an der bis dahin entwickelten psychologischen Komplexität weniger überzeugend. Dennoch eine Empfehlung, aber Vorsicht: Heile Welt wird nicht!
Buchempfehlung von Günter vom Stein
zum Produkt € 22,00*
"Das Mädchen mit dem Drachen" von Laetitia Colombani nimmt die Leser:innen mit nach Indien. Alle, die "Der Zopf" gelesen haben, dürfen sich freuen. In Indien treffen wir Lalita wieder, das kleine Mädchen, welches in Colombanis erstem Roman mit ihrer Mutter aus dem Heimatort geflohen ist. Eine der Hauptfiguren des aktuellen Romans ist Lena, die einen Verlust zu verarbeiten hat und aus Frankreich an den Golf von Bengalen reist, um sich wieder zu finden. Das Schicksal bringt sie mit dem "Drachenmädchen" zusammen. Ihr verdankt Lena ihr Leben. Dass Mädchen in Indien die Familien belasten und dass die Zugehörigkeit zu der Kaste der Unberührbaren das schlimmste ist, was ihnen widerfahren kann, erleben wir in diesem Roman von Colombani erneut. Wir lernen Preeti kennen, Anführerin der "Roten Brigade", Beschützerin und Rächerin der Mädchen und Frauen, denen körperliche Gewalt angetan wurde. Lena ist schnell klar, dass sie in Preeti eine Verbündete finden kann, die ihr dabei hilft, eine Schule am Ort zu errichten. Bildung für alle, auch oder gerade für Mädchen, und egal aus welcher Kaste, ist ihr Ziel. Es gilt Widerstände zu überwinden, und finanzielle Mittel zu beschaffen, um Schritt für Schritt den Plan der Schule zu verfolgen. Wieder eine Geschichte von mutigen, kämpferischen Frauen, die ihr Ziel nicht aus den Augen verlieren.
Eine unbedingte Leseempfehlung von Gabi van Wahden.
zum Produkt € 12,00*
Stefanie vor Schultes Debütroman hat mich schon mit den ersten Sätzen in seinen Bann gezogen. In einer eigenwilligen Sprache – karge, klare Sätze, kein Wort zuviel – mit feiner Ironie und einem sanften Unterton wird eine Welt lebendig, in die ein schutzloses Kind, ein Außenseiter, Licht und Hoffnung bringt. Es ist eine finstere, rohe Zeit, in der Aberglauben, Unrecht und Gleichgültigkeit herrschen. Der elfjährige Martin ist den Menschen unheimlich. Elternlos wächst er heran, ein schwarzer Hahn ist sein ständiger Begleiter. Schlimmes geschieht im Land, Kinder verschwinden, die Erwachsenen nehmen es hin. Anders Martin. Mit reinem Herzen, klarem Verstand und seinem Hahn auf der Schulter tritt er dem Bösen fest entgegen. Sein Weg ist schwer, doch wann immer er zweifelt, ist der Hahn zur Stelle.
Ich bin dankbar, dass ich diesem Buch und seinen ungewöhnlichen Helden begegnen durfte. Über die unbestimmte, dunkle Welt des Romans hinaus lassen Martin und sein Hahn ihr Licht auch auf unsere Zeit scheinen.
zum Produkt € 14,00*
Linus Baker, Anfang vierzig, nicht magisch und etwas übergewichtig, arbeitet seit 17 Jahren in der Behörde zur Betreuung magischer Minderjähriger. Mit höchstem Pflichtgefühl hält er sich an das Regelwerk „Vorgaben und Verordnungen“. Als einzige Leidenschaft genießt er während seiner abendlichen Essensvorbereitungen Oldie-Musik. Schlagartig ändert sich sein Leben, als er den Auftrag erhält, ein ganz besonderes Waisenheim zu überprüfen. Dies liegt auf einer Insel im Meer und steht unter der Leitung eines gewissen Arthur Parnassus. Als Linus einen Blick in die streng geheimen Akten der Kinder wirft, fällt er in Ohnmacht. Kann es tatsächlich sein, dass eines der Sohn des Teufels ist? Je näher Linus den Bewohnern der Insel kommt, desto mehr geraten sein Leben und seine Ansichten aus den Fugen...
T.J. Klune erzählt eine wunderbare und zu Herzen gehende Geschichte von Wesen, die „anders“ sind, von Vorurteilen, Mut, Familie, Zusammenhalt, der Kraft der Fantasie und dem Über-sich-hinaus-wachsen.
zum Produkt € 18,00*
Ein Sachbuch, bei dem einem das Blut in den Adern gefriert: Julian Sancton liefert mit „Irrenhaus am Ende der Welt“ einen Einblick in die frühe Geschichte der Antarktis-Forschung, präzise recherchiert und packend erzählt, perfekt für alle, die es sich zuhause gemütlich machen und trotzdem Abenteuer erleben wollen.
Im Jahr 1897 macht sich die Belgica auf den Weg ins Südpolarmeer, an Bord unter anderen der junge Roald Amundsen. Abenteuerlust, Forscherdrang und der Wunsch nach Ruhm treiben die Expeditionsteilnehmer an, soweit wie möglich ins Unbekannte vorzudringen. Schon die Fahrt in den Süden birgt mehr Schwierigkeiten als erwartet, Erforschung und Kartierung der neuen Küsten brauchen ihre Zeit. Schließlich ist die Mannschaft gezwungen, den langen Polarwinter auf dem festgefrorenen Schiff südlich des Polarkreises zu verbringen. Isolation, Dunkelheit und Mangelernährung rauben den Männern Gesundheit und Verstand. Die Geschichte ihres Überlebens ist erschütternd und fesselnd zugleich.
zum Produkt € 18,00*
Ein Kriminalroman mit realem Hintergrund: Auf dem Transcanada-Highway sind im Verlauf der letzten 50 Jahre viele Frauen mit indigenem Hintergrund getötet oder nicht mehr aufgefunden worden. Das ist der „Aufhänger“ für Frauke Buchholz` Krimi. Eine junge Frau wird tot aufgefunden, schwanger im dritten Monat. Sie wurde vor ihrem Tod schwer misshandelt.
Zwei Ermittler müssen zusammenfinden, um Licht ins Dunkel zu bringen. Ted Garner aus dem Westen Kanadas, ein Profiler, sowie Jean-Baptiste LeRoux, ein Ermittler aus Quebec im Osten. Die Männer arbeiten und ticken völlig unterschiedlich, was die Ermittlungsarbeit nicht erleichtert. Beide sind sich jedoch einig in ihrem Denken und Handeln gegenüber der indigenen Bevölkerung – geprägt von weißer Überheblichkeit.
Ein zweiter Handlungsstrang zeigt, wie Leon Maskisin lebt, der Cousin der toten Frau. Er integriert das traditionelle Wissen der Cree in sein Leben und versucht, abseits des Indianer-Reservats, zu überleben. Und er macht sich auf die Suche nach dem Mörder seiner Cousine. Ich habe in diesem Buch einiges über die indigene Bevölkerung gelernt, was mich zum Nachdenken gebracht hat. Gleichzeitig ist es ein Krimi, der spannend geschrieben ist und jenseits der üblichen Kriminalfälle verläuft.
Empfehlung von Gertraud Liebig
zum Produkt € 20,00*
„Von Menschen mit Mut zum Neuanfang“ ist der Untertitel dieser wunderbaren Sammlung von Begegnungen. Wer die Radiosendungen „Sonntagsfragen“ (WDR 2) oder „Tischgespräche“ (WDR 5) hört, kennt die Stimme der Moderatorin Gisela Steinhauer. Diese hat mich beim Lesen begleitet. Zugewandt, wie in ihren Radiointerviews, lässt die Autorin uns teilhaben an ihren Begegnungen mit besonderen Menschen.
Heiter, unterhaltsam, aber auch nachdenklich erzählt Gisela Steinhauer. Ich musste mich oft zurückhalten, um das Buch nicht zu schnell zu lesen, denn so wären mir vielleicht einige Zwischentöne verloren gegangen. Ich habe es genossen, allen Geschichten ein wenig Zeit zu geben und jede Einzelne auf mich wirken zu lassen. Eine unbedingte Leseempfehlung - auch für „Wenigleser:innen“.
zum Produkt € 18,00*
Frisch getrennt, mäßig qualifiziert und mittellos braucht Hannah dringend einen Job. Sie findet ihn in der Redaktion von Großbritanniens führender Wochenzeitung für Neuigkeiten aus dem Bereich des Übersinnlichen und Unerklärlichen, der „Stranger Times“. Hannahs Aufgabenbereich ist unüberschaubar, ihre Kolleg:innen ebenso exzentrisch wie die Inhalte der Zeitung, ihr Chef ein cholerisches Ungetüm. Als das Team Recherchen zu ungeklärten Todesfällen anstellt, geraten sie in einen Konflikt zwischen Mächten, die nicht von dieser Welt sind.
Der irische Comedian C.K. McDonnell liefert eine spannende Mysterygeschichte, die von schrägem Humor und der Lust am Absurden geprägt ist. Fantastische Elemente durchdringen die Realität, in diesem Fall eine heruntergekommene Zeitungsredaktion im wenig glamourösen Manchester. Ein großer Lesespaß mit tollen Charakteren. Das
Redaktionsteam der „Stranger Times“ ist mir sofort ans Herz gewachsen, ich freue mich jetzt schon auf das nächste Abenteuer.
zum Produkt € 20,00*
Ohne einen Abschied macht sich Daniela auf den Weg in die Fremde und in eine ungewisse Zeit. Sie lässt ihren Mann und ihre Kinder Manuel und Angelica in Rumänien zurück, um in Italien als Pflegerin oder Kinderfrau Geld für die Ausbildung ihrer Kinder zu verdienen. Die anfänglichen Telefonate und Besuche in Rumänien werden immer seltener. Als Filip, der Vater der Kinder, diese ebenfalls verlässt, muss Angelica schon früh Verantwortung für sich und ihren jüngeren Bruder übernehmen. Unterstützung erfährt sie nur von den Großeltern.
Ein Unglück bringt Daniela in ihre Heimat zurück. Manuel hat einen Unfall und liegt im Koma. Das schlechte Gewissen und die Frage nach ihrer Schuld an dieser Situation lassen die Mutter Tag und Nacht an der Seite ihres Sohnes wachen.
Marco Balzano hat es mit diesem Roman geschafft, dass ich mich in jede der handelnden Figuren hineinversetzen konnte. Die unterschiedlichen Sichtweisen und Blickwinkel der Familienmitglieder haben mich oft sehr nachdenklich gemacht. Eine Familiengeschichte, die lange nachhallt.
zum Produkt € 22,00*